Eigentum

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Eigentum beziehungsweise die Haltung zum Eigentum trennt sehr deutlich die politischen Weltanschauungen links und rechts der Mitte. Links wird das Recht auf oder das Recht am Eigentum regelmäßig in Frage gestellt, rechts prinzipiell verteidigt. Das erklärt sich im Fall von Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten der verschiedenen Schattierungen durch die Annahme, daß der Ursprung des Eigentums in einem Gewaltakt liegen müsse. Die Sentenz Rousseaus »Eigentum ist Diebstahl« konnte von Marx wörtlich übernommen werden. Dem liegt ausgesprochen oder unausgesprochen die Geschichtsfiktion zugrunde, es habe einen Naturzustand gegeben, in dem kein Eigentum existierte.

»Nur in Verbindung mit den darauf haftenden Pflichten ist das Eigentum heilig; als bloßes Mittel des Genusses ist es nicht heilig, sondern schmutzig. Gegen ein Eigentum ohne Pflichten hat der Kommunismus recht. Privilegiensucht, die sich als Konservatismus verkleidet, ist ein stinkendes Laster.«

Ernst Ludwig von Gerlach

Dem widersprechen allerdings neuere Erkenntnisse von Völkerkunde und Entwicklungspsychologie. Es trifft zwar zu, daß Gesellschaften auf sehr primitivem Niveau keinen strengen Eigentumsbegriff kennen, vor allem weil Werkzeuge und Waffen relativ leicht herstellbar und andere Artefakte von größerem Wert – weil aufwendig hergestellt oder unter Schwierigkeiten beschafft – unbekannt sind, aber sobald diese Lage sich ändert, tritt auch die Vorstellung von Eigentum regelmäßig auf. Wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang mit der Ausbildung einer Gesittung (Ehe- und Erbrecht) im genaueren Sinn. Jedenfalls ist die Entwicklung eines Wirtschaftslebens ausgeschlossen ohne geklärte Vorstellungen von Eigentum.

Deshalb gab es zwar Schwankungen in der Kulturgeschichte bezüglich des Eigentumsrechts – vom alten Ägypten, das nur ein Obereigentum des Pharaos kannte, über den spartanischen Kosmos mit seiner egalitären Verteilung des Landbesitzes, bis zur individualkapitalistischen Erwerbsgesellschaft angelsächsischen Musters – aber keine Ordnung ohne eine Vorstellung von Eigentum.

»Wie wir … gesehen haben, ist der Schutz der physischen Person vor dem Neid und der Aggression der körperlich weniger Ausgezeichneten auch eine Aufgabe des persönlichen Eigentums. Eine Gesellschaft, in der alle gleich wenig oder gleich viel Eigentum besäßen bzw. von Staats wegen zugeteilt erhielten, wäre nicht etwa ein vom Neid verschontes Idyll, sondern eine Hölle, in der keiner seiner Haut sicher wäre.«

Helmut Schoeck

Linke Gegenkonzepte, soweit sie nicht überhaupt auf eine Gleichverteilung (Gerechtigkeit) von Eigentum ausgehen, wie das noch bei den radikalen Jakobinern der Fall war, wollen das Eigentumsrecht entweder auf ein Kollektiv (Genossenschaften) oder den Staat übertragen oder beschränken sich auf spezielle Aspekte des Eigentums, etwa das Eigentum an Produktionsmitteln. Faktisch sind alle diese alternativen Wirtschafts- und Sozialordnungen gescheitert, auch dann, wenn sie mit äußerster Brutalität durchgesetzt werden sollten.

Das hat seine Ursache zum einen in der unrealistischen Annahme, daß Menschen ohne Motivation durch Eigentum, den Erhalt, Erwerb oder die Vermehrung von Eigentum, Leistungen für die Gemeinschaft erbringen. Zum anderen wird hier verkannt, daß der Besitz von Eigentum einen erzieherischen Wert hat – Eigentum lehrt Verantwortung – und daß Eigentum der beste Rückhalt für die Freiheit des Individuums ist.

Die Berufung auf »Bildung und Besitz« zur Legitimation des Führungsanspruchs von Liberalen und Konservativen hatte hier­in ebenso ihren Grund wie die Ablehnung, durch den Sozialstaat Massen von »Staatsrentnern« heranzuziehen, deren Loyalität gegenüber den bestehenden Verhältnissen nur in der Erwartung wurzelt, daß sie – die Eigentums­losen – durch den Staat auf Dauer alimentiert würden. Die Entdeckung, daß die Durchsetzung des »vormundschaftlichen« Staates – egal welcher Verfassung – solange ungefährdet bleibt, solange er Versorgung gewährleistet und umgekehrt, daß ohne Privateigentum auch kein Freiheitsbewußtsein entsteht oder erhalten werden kann, ist durch die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts immer wieder bestätigt worden.

Literatur

  • Friedrich August von Hayek: Die Verfassung der Freiheit [1971], zuletzt Tübingen 2005.
  • Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Kapitalismus. Nutzen und Moral, Herderbücherei Initiative, Bd 47, Freiburg i. Br. 1982.
  • Helmut Schoeck: Der Neid [1966], zuletzt Frankfurt a. M. 1992.