Universalismus

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Universalismus bezeichnet verschiedene Deutungsmuster, die aufs Ganze gehen, das heißt eine allgemein verbindliche, vor allem auch ethisch verbindliche, Konzeption für die Deutung der Welt anbieten.

»Alle Menschen sind in gleicher Weise zu lieben. Da man aber nicht für jedermann sorgen kann, so muß man vornehmlich für jene Sorge tragen, die einem durch die Verhältnisse des Ortes, der Zeit oder irgendwelcher anderer Umstände gleichsam durch das Schicksal näher verbunden sind.«

Augustinus

Sieht man von den älteren religiösen (Buddhismus, Christentum) oder quasireligiösen (Konfuzianismus) Universalismen ab, haben sich seit der Aufklärung vor allem immanente Vorstellungen dieser Art entwickelt und eine breite Anhängerschaft gewonnen. Der Grund dafür war die nach den Entdeckungsreisen neu begründete Wahrnehmung der Einheit des globalen Raums und eine durch das Christentum genauso wie durch den neuzeitlichen Rationalismus (Moderne) begründete Vorstellung von der Einheit des Menschengeschlechts. Dementsprechend entwickelte sich mit den Revolutionen am Ende des 18. Jahrhunderts die Vorstellung, daß die Menschheit auf der Welt und in der Weltgeschichte als Akteur auftreten sollte, um die bis dahin erst ansatzweise und entworfene Einheit tatsächlich zur Erscheinung zu bringen. Die beherrschenden Ideologien der Linken und der Mitte haben dieses Programm aufgegriffen und sich selbst als Avantgarde der Menschheit ins Spiel gebracht, die ihr Sendungsbewußtsein ganz wesentlich aus der Vorstellung speiste und speist, daß man am Beginn einer neuen Epoche stehe, die zuletzt den Universalismus vollständig realisieren werde.

Das Scheitern derartiger Pläne wurde von den Verfechtern dieser ­Ideologien immer nur als Parusieverzögerung betrachtet, die faktische – durch die Industrielle Revolution bewirkte – Globalisierung als Hinweis auf die objektive Entwicklung in die gewünschte Richtung. Das Nebeneinander von Universalismus als Weltanschauung, den fortbestehenden Hindernissen und dem tatsächlichen Zusammenwachsen der entferntesten Weltgegenden hat ganz wesentlich die Frontverläufe des Weltbürgerkriegs bestimmt.

»Doch eine Scheu vor der einebnenden Universalität, vor der Macht ohne Gegenmacht, der Unkontrolliertheit und Zügellosigkeit der Einzelherrschaft, dem Aufkommen dunkler Zirkel und Kulte ist uns geblieben. Wir wissen, daß die notwendig zwingende Einheit des Weltstaates die Freiheit gefährdet, daß diese ein freies Spiel der Kräfte und Mächte voraussetzt. Und dies, obwohl wir auch wissen, daß das freie Spiel den Zwang zur Wehr und alle ihre Gefährdungen nach sich zieht.«

Erwin Hölzle

Dagegen sind die Widerstandsversuche, die es in einem konservativen Gegen-Universalismus (propagiert etwa durch die der Spann-Schule unter Rückgriff auf das Christentum) oder der Verteidigung von Partikularismen (nationalistischen, traditionalistischen oder fundamentalistischen) gab, weitgehend vergeblich geblieben. Dasselbe gilt auch für das Bemühen um eine alternative – nominalistische – Deutung, die an die Stelle des Universalismus eine prinzipielle Bezugnahme auf das Konkrete forderte. Das Problem des Nominalismus ist neben einer Reihe von logischen Schwierigkeiten (vor allem die Aufstellung allgemeiner Sätze, deren Geltung man eigentlich gar nicht anerkennen will, wenn es etwa um das Existenzrecht jeder Religion, jedes Volkes etc. geht) die Macht des großen, auf Vereinheitlichung drängenden Prozesses, der nach dem Beginn des Informationszeitalters noch eine ganz andere Dynamik gewonnen hat.

Was bleibt, ist angesichts dessen nur eine Relativierung des Universalismus im Namen jener Verschiedenheiten, die politisch wie kulturell Bestand haben und deren Existenz unleugbar ist.

Literatur

  • Alain de Benoist: Kritik der Menschenrechte, Berlin 2004.
  • Henning Eichberg: Nationale Identität, München 1978.
  • Josef Isensee (Hrsg.): Menschenrechte als Weltmission, Berlin 2009.
  • Hanno Kesting: Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg, Heidelberg 1959.
  • Armin Mohler: Die nominalistische Wende [1978], zuletzt in ders.: Der Streifzug. Blicke auf Bilder, Bücher und Menschen, Dresden 2001, S. 167-194.