Alain Marie de Benoist

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Benoist, Alain Marie de
(Pseudonyme: Cédric de Gentissard, Fabrice Laroche, Robert de Herte),
geb. 11. Dezember 1943 Saint-Symphorien (Tours).
Alain de Benoist, 2011

Hinsichtlich Alain de Benoists, dem Vordenker der Nouvelle Droite, existieren viele Mißverständnisse. Eines davon ist, ihn als »Antiaufklärer« oder »Gegenaufklärer« zu betrachten. Denn zu Phänomenen allgemeinen, also politischen Interesses Stellung zu nehmen, sie zu hinterfragen, zu kritisieren, sie »aufzuklären« – dem fühlt sich bis heute der französische Philosoph, Journalist und Schriftsteller verpflichtet. Allerdings macht er dabei vor den normativen Hinterlassenschaften der Epoche der Aufklärung nicht halt. Dies gilt im besonderen Maße für seine dezidierte Ablehnung des Egalitarismus.

Anders als konservative Autoren, führt de Benoist den Egalitarismus jedoch explizit auf das Christentum zurück, das nur einen Gott kennt, vor dem alle Menschen gleich sind. Überhaupt säkularisierte sich die christliche Religion in seinen Augen selbst und steht für ihn am Anfang all jener modernen Verwerfungen, die er in über 50 Büchern und Tausenden von Zeitschriftenartikeln immer wieder kritisierte: den Monotheismus des kapitalistischen Marktes, der weltweit die verschiedensten Kulturen und Lebensformen zerstört; den menschenrechtlichen Universalismus, der das Politische moralisiert; die aufklärerische Idee des vollkommen emanzipierten Subjekts, die sich im politischen und ökonomischen Liberalismus äußert.

»Liberalismus und Marxismus sind am Ende. Die absolute Unabhängigkeit des Subjekts, der Glaube an die Allmacht der Vernunft, der Mythos der Entwicklung – all das sieht sich heute radikal in Frage gestellt. Die Zeit ist reif für eine systematische und parallele Kritik von Marxismus und Liberalismus, als zweier rivalisierenden Ideologien des gleichen rationalistischen und egalitären Denkens.«

Die Modernisierungserscheinungen im Frankreich des 20. Jahrhunderts dürften dabei de Benoists intellektuelle Entwicklung zu einem radikalen Kritiker der modernen Gesellschaft samt ihrer ideologischen und religiösen Grundlagen bestärkt haben: Seit dem Zweiten Weltkrieg industrialisierte sich das einstige Agrarland rasant und ebnete dabei nicht nur die bäuerliche Lebenswelt ein, sondern auch die sozialen Milieus in den Städten und deren gewachsene Kultur.

Der Krieg in Algerien sowie die anschließende Aufgabe der einstigen französischen Kolonie durch de Gaulle – letztere resultierte aus dem modernen Effizienzdenken – taten das übrige, daß sich de Benoist als Student zu Beginn der 1960er Jahre auf der Seite der antigaullistischen Rechten in Frankreich als politischer Journalist engagierte. Als Reaktion auf die gescheiterte Algérie française-Kampagne der französischen Rechten sowie ihre auch später erfolglos gebliebenen Versuche, politischen Einfluß zu nehmen, gründete de Benoist mit anderen Intellektuellen 1968 in Paris den Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne (GRECE), den ersten rechten Diskussionsklub in Frankreich seit 1945. Dieser versucht bis heute in seinen Zeitschriften wie Éléments oder Nouvelle École, eine Alternative zur modernen Gesellschaft aufzuzeigen. Trotz seiner namhaften Mitglieder, zu denen in der Vergangenheit u. a. auch der Nobelpreisträger Konrad Lorenz gehörte, sah sich der GRECE immer wieder Angriffen wegen vermeintlich »rechtsextremer Tendenzen« ausgesetzt. Zu den spektakulärsten zählt dabei die gegen den GRECE gerichtete Pressekampagne von 1979. In der öffentlichen Wahrnehmung bezeichnet dies denn auch die Geburtsstunde jener ideologischen Strömung, als deren Protagonist Alain de Benoist bis heute gilt: Nouvelle Droite – Neue Rechte.

De Benoist läßt sich in der Tradition der französischen Enzyklopädisten verorten: Berühmt für den Hunger nach weitverstreuter Lektüre, hat de Benoist Spezialgebiete nie systematisch vertieft, sondern eher ein Werk der Synthesen geschaffen. Sein Gedankengebäude ist vor allem interessant aufgrund seiner Originalität und Brillanz und weniger aufgrund seiner Tiefgründigkeit und doktrinären Kohärenz. »Ich«, so äußerte de Benoist einmal, »habe versucht einen originellen Gedanken zu konstruieren, ausgehend von sehr unterschiedlichen Autoren.«

Tatsächlich speist sich de Benoists Denken aus den verschiedensten Quellen: Neben der antiutilitaristischen Philosophie Friedrich Nietzsches und der identitären Demokratietheorie von Jean-Jacques Rousseau, spielen darin das Staatsdenken von Carl Schmitt und die kulturrelativistischen Überlegungen von Claude Lévi- Strauss eine entscheidende Rolle; aber genauso kommen darin die religionswissenschaftlichen Theorien von Georges Dumézil und Mircea Eliade zum Tragen oder Analysen von Psychologen wie Hans Jürgen Eysenck und Verhaltensforschern wie Konrad Lorenz. Sein 1979 von der Académie française mit dem Grand Prix de l’Essai ausgezeichnetes Buch Vu de droite (dt. Aus rechter Sicht) bezeichnet den Versuch, die Eckpfeiler einer dem Menschen gemäßen, organischen Weltsicht auf rationaler Basis zu skizzieren. Zentraler Referenzpunkt de Benoists ist dabei die antike, vorchristliche Welt. Aufgrund ihrer Göttervielfalt, ihrer trifunktionalen Gliederung und ihres zyklischen Geschichtsbildes, begreift er sie als zeitloses Ideal und transponiert deren Strukturen in seinen Schriften immer wieder in die Gegenwart: So erscheint ihm etwa die antike Reichsidee als Vorbild dafür, mit pluralistischen Gesetzesformen die Identität der verschiedenen Kulturen zu stärken, zu erhalten und zu integrieren.

De Benoist, der gegen Ende der 1960er nicht müde wurde, die intellektuelle Armut der traditionellen Rechten zu beklagen, und dazu ermunterte, ihr ein tragfähiges ideologisches Konzept zu geben sieht die Unterscheidung zwischen politischer Linken und Rechten mittlerweile als überholt an. Kaum verwunderlich, widmet er sich heute verstärkt Themen, die bislang vor allem die intellektuelle Linke angingen: der Konsumkritik und der Ökologie. Allerdings erhält er dabei nach wie vor seine antiegalitäre Orientierung aufrecht.

De Benoist gilt nicht zuletzt darum als umstritten und als Solitär unter den politischen Denkern unserer Zeit. Bezeichnenderweise sagte der amerikanische Philosoph Thomas Molnar einmal über ihn: »Alain de Benoist hat Proben eines bemerkenswerten intellektuellen Mutes abgelegt, ich würde sagen der Zivilcourage angesichts der Haie des Einheitsdenkens.«

Schriften

  • Die entscheidenden Jahre. Zur Erkennung des Hauptfeindes, Tübingen 1982.
  • Heide sein zu einem neuen Anfang. Eine europäische Glaubensalternative, Tübingen 1982.
  • Aus rechter Sicht, 2 Bde., Tübingen 1983/84.
  • Kulturrevolution von rechts. Gramsci und die Nouvelle Droite, Krefeld 1985.
  • Demokratie. Das Problem, Tübingen 1986.
  • Aufstand der Kulturen. Europäisches Manifest für das 21. Jahrhundert, Berlin 1999.
  • Wir und die anderen, Berlin 2008.
  • Abschied vom Wachstum. Für eine Kultur des Maßhaltens, Berlin 2009.

Literatur

  • Michael Böhm: Alain de Benoist – Denker der Nouvelle Droite, Schnellroda 2008.
  • Lorenzo Papini: Radici del pensiero. La riflessione politica di Alain de Benoist, Pisa 1995.
Der Artikel wurde von Michael Böhm verfaßt.