Schill-Gedenkstätten

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Braunschweig, Stralsund, Wesel

Zu den mentalen Merkwürdigkeiten der Teilung gehörte die Rührung des westdeutschen Patrioten angesichts der wohlerhaltenen Denkmäler nationaler Größe in der DDR. Das hatte natürlich damit zu tun, daß jenseits der Grenze viel Deutsches konserviert wurde, was diesseits längst der Modernisierung zum Opfer gefallen war. Außerdem wirkten die Wartburg oder Sanssouci (➞ Potsdam) in manchem so abgeschnitten wie die Marienburg oder die Altstadt von Breslau. Aber eine Ursache lag auch darin, daß sich die SEDFührung je länger je mehr darum bemühte, eine »Erbepolitik« in Szene zu setzen, die von einem betont positiven Verhältnis zu bestimmten Aspekten deutscher Geschichte ausging.

Natürlich spielten ideologische Vorgabe trotzdem eine Rolle, was auch bedeutete, daß vieles gar nicht auftauchte oder nur in grotesker Verzerrung, aber in bezug auf eine Schlüsselepoche – die napoleonische Zeit und die Ära der Befreiungskriege (➞ Leipzig, Waterloo) – konnte man sich im großen und ganzen darauf verlassen, daß die Dinge präsentiert wurden, wie es angemessen war. Das galt für die Sorgfalt, mit der die Denkmäler von Scharnhorst, Gneisenau (➞ Kolberg) und Boyen gegenüber der Neuen Wache in Berlin gepflegt wurden, genauso wie für den Aufwand, den man bei der Erhaltung des Arndt-Hauses auf Rügen oder der Anlage des Ehrengrabs für Clausewitz (➞ Tauroggen) in Magdeburg trieb, und dasselbe wird man auch für die Schill-Gedenkstätten in Stralsund sagen können. Bei jeder Stadtführung bekam man das bekannte, 1909 zum 100. Todestag errichtete Denkmal gezeigt und die Platte im Pflaster, die die Stelle markiert, an der er im Straßenkampf gefallen war.

Für die DDR war der Aufstandsversuch Schills ein Paradebeispiel für den »Volkskrieg«. Eine nicht ganz falsche Auffassung, wie man auch deshalb zugeben muß, weil sich die preußische Obrigkeit mit dem Ungehorsam und dem Handeln auf eigene Faust des Husarenmajors aus prinzipiellen Gründen nicht einverstanden erklärte (das Desertionsverfahren wurde nur unter Hinweis auf seinen Tod niedergeschlagen, das Vermögen wie bei allen Fahnenflüchtigen beschlagnahmt) und die Bewertung Schills wie der Befreiungskriege überhaupt im 19. Jahrhundert lange umstritten war. Andererseits ist zu betonen, daß Schills Aktion von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte. Seine Vorstellung, man könne in Norddeutschland wie in Spanien oder Tirol einen Flächenbrand gegen die Fremdherrschaft entzünden, beruhte auf zu vielen falschen Voraussetzungen.

Wenn auf dem ersten Denkmal für Schill in Stralsund der Satz aus Vergils Aeneis steht »Großes gewollt zu haben ist groß« und dieses Wort oft wiederholt wurde, um sein Handeln zu rechtfertigen, so bleibt doch die Tatsache, daß nicht nur Schill sein Leben verlor, sondern auch, daß viele der Männer, die ihm gefolgt waren, ein sehr bitteres Schicksal erlitten und dem Vergessen anheimfielen. Das gilt für die Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere, die Napoleon zu Galeerensklaven seiner Mittelmeerflotte machte, weniger für jene elf Offiziere, die man auf seinen Befehl am 16. September 1809 in Wesel erschießen ließ. Das eindrucksvolle Gemälde von Adolf Hering hält jenen Augenblick fest, nachdem die Männer ein letztes Hoch auf ihren König ausgebracht und selbst den Befehl zum Feuern gegeben hatten; nur Albert von Wedell war verfehlt worden, stand weiter aufrecht, gekettet an seine toten Kameraden, und wies auf sein Herz mit dem Ruf »Hierher Grenadiere!«, bevor auch er fiel.

An das Schicksal der Schillschen Offiziere erinnert neben der (allerdings auf unerfreuliche Weise mit dem Gedenken an das KZ-Außenlager Schillstraße verquickten) Gedenkstätte in Braunschweig, wo man die Gefangenen des Korps vorübergehend inhaftiert hatte, in Wesel der schöne, von Schinkel (➞ Berlin: Brandenburger Tor) entworfene Gedenkstein und die »Schill-Kasematte«. Diese gehört heute ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten Museen zur Geschichte der Befreiungskriege und ihrer Vorbereitung auf deutschem Boden. Bei der Wiedereinweihung im Jahr 1959 hatte es in einer Rede geheißen, daß die Männer Schills in einer Linie stünden mit den Revolutionären von 1848 wie den Verschwörern des 20. Juli 1944, den Arbeitern des 17. Juni 1953 und den ungarischen Freiheitskämpfern von 1956. Sie alle scheiterten, ohne daß das irgend etwas gegen den Wert ihres Tuns besagt.

Literatur

  • Rudolf Bartsch: Die Schill’schen Offiziere. Das Kriegsjahr 1809 in Einzeldarstellungen, Bd. VII, Wien/Leipzig 1909.
  • Helmut Bock: Schill – Rebellenzug 1809, Berlin (Ost) 41988.
  • Felix Richard: Das Schicksal der 11 Schill’schen Offiziere. Ein Gedenkbuch, Wesel 1964.
  • Veit Veltzke (Hrsg.): Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation, Köln/Weimar/Wien 2009.
Der Artikel wurde von Karlheinz Weißmann verfaßt.