Die Verschwörung der Flakhelfer

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Die Verschwörung der Flakhelfer.
Günter Maschke, in: Hans-Joachim Arndt u. a.: Inferiorität als Staatsräson, Krefeld: Sinus 1985, S. 93–118.

»Die Bundesrepublik, halb ordentlicher Industriehof, halb Naherholungszone mit regelmäßig geleertem Papierkorb, dieses handtuchbreite Restland, dessen Bewohner nach Harmlosigkeit gieren, ist zugleich das Land, in dem jeder zum Verfassungsfeind des anderen werden kann.« Mit diesem Satz leitete Günter Maschke seinen 1985 erschienenen Aufsatz über Die Verschwörung der Flakhelfer ein und signalisierte damit gleich, daß er kein Interesse daran habe zu plaudern. Und so ist Maschkes Text eine bis heute in weiten Teilen unerreicht scharfe und gleichzeitig präzise Analyse der politischen Situation Deutschlands nach 1945 und des geistigen Landesverrats seiner politischen Elite. Daß Maschke dabei selbst vor konservativen Ikonen wie Konrad Adenauer und Ludwig Erhard nicht haltmachte, ließ und läßt seine Urteile gerade bei Konservativen zur Nagelprobe werden. Womit gibt man sich in der Beurteilung der deutschen Lage zufrieden? Und welche Desillusionierung hinzunehmen ist man bereit?

Der Schmitt-Experte Maschke analysiert und argumentiert von Carl Schmitt her. Dessen Kernsätze über die Souveränität, das Politische, den Liberalismus, den diskriminierenden Kriegsbegriff sind gegenwärtig, werden aktualisiert und angewendet und geben Maschke den Grundton vor: Dieser ist von unversöhnlichem Furor und gleichzeitig glasklar. Der Angriff ist nicht rauschhaft, sondern wird wohlüberlegt und kompromißlos vorgetragen, und solches kann nur demjenigen gelingen, der die Gefechtslage mit klaren Begriffen zu ordnen vermag.

Maschke geht mit dem Soziologen Hans-Joachim Arndt von den Deutschen als den »Besiegten von 1945« aus und gelangt zu der Behauptung, es sei »die Verfassung das Gefängnis, dem es zu entrinnen gilt«. Er untermauert diese ungeheure Feststellung anhand seiner Analyse eines doppelten Angriffs auf die Reste deutscher Substanz nach dem Krieg: Die Nürnberger Prozesse hätten mit ihrer Ächtung des Rechts zum Kriege einen wesentlichen Grundsatz der Staatlichkeit zerstört: seine Souveränität. Gleichzeitig sei mit der Entnazifizierung das für dieses entstaatlichte Gemeinwesen »richtige Individuum« geschaffen worden – ein »antifaschistischer Homunculus«, der schon 1933 habe wissen müssen, »was 10 Jahre später in Auschwitz geschah«, gesegnet mit einem »größeren Weitblick als die Regierungen der USA, der UdSSR, Frankreichs und Großbritanniens zusammengenommen «: ein mündiger Bürger, gekennzeichnet von einem »Ineinander von Genußsucht und Zerknirschung« und von einer jede Politik abwürgenden liberalen Mentalität.

»Diese deutsche Art von Post-histoire ist noch nicht an ihrem Ende, doch wie immer in der Politik eröffnet sich die neue Lage eher plötzlich, als daß sie sich entwickelt.«

Die Jahrgänge, die diese Mentalität angenommen und zur prägenden für die BRD gemacht hätten, bezeichnet Maschke als »Generation der Flakhelfer«; sie war »zu jung, um die Prügel zu verstehen, die sie empfing«, Prügel, die einem besonderen deutschen Weg in die Moderne insgesamt und nicht etwa nur einer nationalsozialistischen Verfehlung galten. Und so beantwortet Maschke seine Frage gleich selbst mit Ja: »Muß, wer Adenauer sagt, nicht auch Rudi Dutschke sagen und wer Strauß sagt, nicht auch Otto Schily und sogar Rote-Armee-Fraktion sagen?« Für Maschke sind die Revoluzzer von ’68 nur der »radikalisierte Wurmfortsatz« der früheren inneren Feinde des deutschen Volkes, jener Betreiber eines »Autogenozids «, für die es keinen Gerichtshof gibt.

Die Verschwörung der Flakhelfer ist ein gefährlicher Text. Natürlich darf man die Anlage zur Provokation Maschkes als des ehemaligen »Dutschke von Wien« nicht verkennen. Aber auch dann, wenn man sie mit einrechnet, bleibt die Verschwörung aggressives Denken par excellence. Der Text ist suggestiv und von umstürzender Deutlichkeit. Was tun? Wer Maschkes Argumentation folgt und seine Schlußfolgerungen akzeptiert, muß das politische System der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen, seine Grundlage, seine Entstehung, auch seine Fortsetzung nach 1990. Diese Radikalität ist so kühl und gründlich, daß sie jene Doppelwirkung aus Erregung und Lähmung entfalten kann, die jeder unvermittelten Botschaft aus dem Bereich erstrangigen, kategorischen Denkens eignet.

Ausgabe

  • Wiederabdruck, in: Günter Maschke: Das bewaffnete Wort, Wien/Leipzig: Karolinger 1997, S. 72–90.
Der Artikel wurde von Götz Kubitschek verfaßt.