Der Weg

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
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Der Weg. Ein ökologisches Manifest (engl. The way. An ecological world-view, London 1992),
Edward Goldsmith, München: Bettendorf 1996.

Der Weg ist eine Samenverkapselung all dessen, was Edward Goldsmith seit 1969 mit dem Magazin The Ecologist in die aktuelle Diskussion einzubringen versucht hatte. Um 1990, als das Buch entstand, zeigte sich nicht nur, daß die Ökologiedebatte in eine Reihe von Reformanliegen zersplitterte, die zu schwach waren, um den Wandel zu ermöglichen, der für eine Erhaltung der menschlichen Lebensbedingungen auf der Erde nötig wäre. Es zeigte sich darüber hinaus, daß die Anwälte des »Weiter so« auf dem »american highway of life« echte Ökologie zunehmend als unmenschlich und faschistisch diffamierten, weil diese die Notwendigkeit der Verringerung der Weltbevölkerung nicht verschweigt oder gar überlegt, wie diese erreicht werden könnte.

»Statt unsere Probleme als unvermeidliche Konsequenz der wirtschaftlichen Entwicklung oder des Fortschritts zu interpretieren, des antievolutionären Prozesses, der uns immer weiter vom Weg abführt – interpretieren wir sie statt dessen so, daß die wirtschaftliche Entwicklung nicht weit oder schnell genug fortgeschritten ist – daß wir in Wirklichkeit noch nicht weit genug vom Weg abgewichen sind.«

Goldsmiths Buch ist eine Zusammenfassung der ökologischen Fragestellung und ihrer Entwicklungsgeschichte, und das heißt: ihrer Verbiegung durch Anpassung an die modernetypischen Vorurteile. Die Theorie, wonach Vielfalt Stabilität bedingt, vor allem aber die Theorie einer Klimax, wonach sich unterschiedlich ausgereifte und wertvolle Ordnungen eines Biotops unterscheiden lassen, wurde von den Linken unter dem Stichwort »Monoklimaxtheorie « massiv angegriffen, weil sie ihren antihierarchischen Instinkten zuwiderlief. Goldsmith zeigt, daß die Einwände der Modernisten gegenüber verschiedenen ökologischen Theorien nur Verteidigungslinien für ihre gleichmacherische Ideologie sind. Er belegt, daß am Schluß ihrer Argumentationen der Rückzug auf die Grundposition steht, Natur dürfe nicht normativ genommen werden, weil sie letztlich brutaldarwinistisch funktioniere und deshalb unmenschlich sei.

Goldsmith arbeitete eng mit den Kreisen um den norwegischen Philosophen Arne Naess zusammen, die mit der sogenannten Tiefenökologie über eine bloße Ökonomie der Natur hinauskommen und die Natur in all den Dimensionen würdigen wollten, auch denen, die nur durch die menschliche Wahrnehmung aufscheinen. Dabei glitt Goldsmith aber nie wie viele seiner anfänglichen Mitstreiter, deren Tiefenökologie schließlich zu einem Mosaikstein des Psycho- und New-Age-Booms wurde, in den dem Darwinismus gegenüberliegenden Straßengraben ab. Weder verniedlichte er die Natur, noch verlor er ihre Rolle aus den Augen, den Menschen nicht nur zu tragen, sondern auch zu begrenzen. Diese Gratwanderung zwischen Sentimentalisierung und Dämonisierung bestimmte seinen Weg.

Goldsmith will zwar zu einem traditionalen Weltmodell zurück und bezieht sich gerne auf Stammeskulturen. Aber er möchte die mechanistischen Kategorien des Systemdenkens nicht aufgeben. So fällt er teilweise vom Kausalismus in die Teleologie, vom Individualismus in den Holismus. Sein Stil ist weniger nachdenklich als Manifeste verkündend. Zentral ist dabei der Kampf gegen einige Vorurteile, die wissenschaftlich begründet scheinen. So die angebliche Unerlaubtheit des Schlusses vom Sein auf das Sollen (sog. »naturalistischer Fehlschluß«) und die Vorstellung, daß die Natur letztlich auf Entropie hinauslaufe, ohne zu verstehen, daß es Entropie nur in geschlossenen Systemen gibt. Wie Goldsmith feststellt, ist die Erde aber kein geschlossenes System, und die Welt ist gar kein System, weil wir sie prinzipiell nicht von außen sehen können. Der Autor erkennt auch scharf, daß diejenigen, die immer vom naturalistischen Fehlschluß reden, eigentlich einen artifizialistischen Fehlschluß begehen, für den nur das Nichtbestehende das Gute sein kann. Ein prinzipielles Nichteinverstandensein mit der Welt und die daraus folgende Veränderungssucht führt aber immer zur Feindschaft gegenüber der Natur.

Literatur

  • Reinhard Falter: Natur neu denken, Klein Jasedow 2003.
Der Artikel wurde von Reinhard Falter verfaßt.