Ordnung: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr
Ordnung bezeichnet das sinnvolle und regelmäßige Zusammenwirken einer Vielheit, die dadurch eine Einheit – eben die Ordnung – bildet. Die Überzeugung, daß es eine solche Ordnung im Hinblick auf das große Ganze – die »Weltordnung« – geben muß, liegt jeder Auffassung zugrunde, die bestreitet, daß »König Zufall« (Albert Camus) regiert. Insofern ist das in Genesis geschilderte stückweise Zusammenfügen der Schöpfungselemente zu einer funktionierenden und »guten« Einheit das Urbild der Entstehung von Ordnung, und alle menschlichen Ordnungsversuche können als Nachahmung solcher oder anderer göttlicher Modellhandlungen verstanden werden; die zentrale Bedeutung der Schöpfung für die Mythen aller Völker erklärt sich aus diesem Zusammenhang.
Die Schaffung einer Ordnung ist dabei stets »Aufgabe der Weisheit« (Thomas von Aquin) und setzt Intelligenz und Erfahrung voraus, mindestens die Erfahrung, daß das Leben im Chaos – der Unordnung – unmöglich ist. Diese Gewißheit muß nicht religiös fundiert sein, sie kann sich auch auf die vernünftige Beobachtung der Natur beziehen. In jedem Fall ist Ordnung ein »Grundbegriff der politischen Philosophie« (Hans Barth), insofern sie auf der Annahme einer geistigen Einheit beruht, die durch den Zweck der Ordnung bestimmt ist und sie den ihr Unterworfenen legitim erscheinen läßt, insofern sie eine Menge von Sanktionsmitteln zur Verfügung hat, um sich zu schützen, und eine letzte Instanz kennt, im Normalfall den Staat, der ihre Geltung durchsetzen kann.
Alle politische Ordnung ist anfällig für Störungen. Das wird von der Linken gar nicht, von den Liberalen kaum, von den Konservativen sehr ernst genommen. Während die Linke aufgrund ihres Menschenbildes unschlüssig bleibt, ob Ordnung nicht eigentlich überflüssig ist oder aber alle Lebensbereiche vollständig erfassen sollte, und die Liberalen meinen, daß sie sich – etwa im Bereich des Marktes – selbst herstelle, richten die Konservativen ihr Augenmerk auf Institution und Hierarchie, Autorität und Erziehung, um die Ordnung zu bewahren. Es ist nicht so, als ob ihnen die »Wärme des Unaufgeräumten« (Michael Oakeshott) unbekannt wäre, aber näher ist ihnen das Diktum Goethes, daß er eher Unrecht als Unordnung leiden wolle.
»Auf allen Stufen wird das Sein schwächer, wenn die Ordnung aufweicht. Es löst sich auf, wenn die Ordnung es nicht hält. Die Ordnung ist nur ein Mittel. Sie ist ein Ausgangspunkt. Die Ordnung wiederherzustellen, erzeugt eine Atmosphäre, vorteilhaft für die Tätigkeit des Geistes wie des Körpers. Diese Ordnung macht das Werk möglich oder besser. Sie garantiert ihm Dauer, ist ihm Unterstützung und Schutz.«
Die Zerstörung von Ordnung ist immer mit Gefahren verbunden und muß zu Zwangsmaßnahmen (Herrschaft) führen, um die Ordnung wiederherzustellen. Das erklärt im politischen Bereich das regelmäßige Auftreten von Diktaturen nach Revolutionen.
Als Grenzfälle des Ordnungsdenkens sind zuletzt jene Anschauungen zu betrachten, die entweder Ordnung als Selbstzweck postulieren und damit jede Prüfung ihres Gut-Seins ablehnen, und solche, die die Ordnung nur als Ergebnis einer dem Menschen zwar notwendigen, der chaotischen Welt aber fremden, Anstrengung begreifen, die immer nur von kurzer Dauer ist. Die erste der beiden Positionen kann man als »existentialistische«, die zweite als »funktionalistische« bezeichnen. Ihr Einfluß erklärt sich im allgemeinen aus gewissen Zeitumständen, von einem echten Verständnis der Ordnung sind sie aber relativ weit entfernt. Diese kann ihre Aufgabe auch und gerade im Politischen nur als »konkrete Ordnung« (Carl Schmitt) erfüllen, das heißt, wenn sie an Bedingungen anknüpft, die tatsächlich Ordung ermöglichen und in sich ordenbar sind.
Literatur
- Hans Barth: Die Idee der Ordnung, Zürich 1958.
- Joseph de Maistre: Betrachtungen über Frankreich [1796/1924], zuletzt Wien und Leipzig 1997.
- Henry de Montherlant: Nutzloses Dienen [1935], Leipzig 1939, zuletzt Schnellroda 2011.
- Michael Oakeshott: Rationalismus in der Politik, Neuwied und Berlin 1966.
- Carl Schmitt: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens [1934], zuletzt Berlin 1993.