Berlin – Invalidenfriedhof: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
K (1 Version importiert)
(kein Unterschied)

Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr

Der Invalidenfriedhof

Friedrich der Große (➞ Leuthen, Oderbruch, Potsdam) befahl unter dem Eindruck der hohen Verwundetenzahlen aus den ersten beiden Schlesischen Kriegen die Einrichtung eines Hauses für Kriegsversehrte. Bis zu dessen Eröffnung am 15. November 1748 wurden weitere königliche Instruktionen für den Dienstbetrieb dieser militärischen Einrichtung für die »lahmen Kriegsleut« erlassen. Sie bestimmten die Selbstversorgung der Anstalt auf einem Stück Land im öden und unbewohnten Norden Berlins vor dem Oranienburger Tor mittels Landwirtschaft, regelten den Kirchenbetrieb sowohl für eine reformierte als auch eine katholische Kirche und sahen die Anlage eines unmittelbar am Invalidenhaus befindlichen Kirchhofs vor. Am 20. Dezember 1748 erfolgte auf dem Invalidenfriedhof die erste Grablegung: die des katholischen Unteroffiziers Hans Michael Neumann aus Bamberg.

Wurden anfänglich nur verstorbene Einwohner des Invalidenhauses dort beerdigt, kamen bald die zugezogenen Anwohner der »Invalidenhaus-Civilgemeinde« dazu, zog der Betrieb des Invalidenhauses doch viele Handwerker und Händler an, die sich in der Nähe niederließen.

Im Jahre 1824 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. an, die »Nobilitäten der Armee« auf dem Invalidenfriedhof beizusetzen. Damit war der Grundstein für »eine Stätte preußisch-deutschen Ruhmes « gelegt, vergleichbar dem Pariser Invalidendom oder der Londoner St. Pauls- Kathedrale.

Bis 1872 gab es etwa 18 000 Beerdigungen, in der gesamten Friedhofsgeschichte waren es rund 30 000. Seit 1850 erhielten auch Staatsbeamte, Theologen, Gelehrte, Unternehmer und Künstler hier eine exponierte Beisetzungsstätte. Der Invalidenfriedhof in Berlin wurde zur letzten Ruhestätte der preußischen Militärelite: Generalleutnant Karl Leopold von Köckritz und von General Friedrich Bogislav Emanuel Tauentzien von Wittenberg, von Generalleutnant Karl Ernst Job Wilhelm von Witzleben und Hermann von Boyen waren bzw. sind hier bestattet.

Zum eindrucksvollsten Zeugnis preußisch- deutscher Sepulkralkultur wurde das 1834 von Christian Daniel Rauch nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels (➞ Berlin – Brandenburger Tor) errichtete Grabmal für Gerhard von Scharnhorst. »Schinkels reifste Leistung im Bereich des Grabmalbaues«, ein auf zwei Sockeln ruhender Marmorsarkophag mit Relieffries, Szenen aus dem Leben Scharnhorsts darstellend, hat die Zerstörungen während der DDR-Zeit überdauert. Das 1990 restaurierte gußeiserne Kreuz des Turners und glühenden Patrioten Karl Friedrich Friesen beeindruckt dagegen durch seine Schlichtheit.

Im Ersten Weltkrieg (➞ Laboe, Langemarck, Tannenberg, Verdun) und in den Nachkriegsjahren festigte sich die Stellung des Invalidenfriedhofes als »Ehrenhain preußisch-deutscher Geschichte«. Aber nicht nur Generäle, auch gefallene Soldaten niederer Dienstgrade wurden im Laufe des Krieges beigesetzt. Ein besonders berührendes Denkmal dieser Zeit war der Stein des Leutnant John: »Mutter Erde nimmt ihren Sohn auf.«

119 gefallene oder in Berliner Lazaretten verstorbene Soldaten sind während des Ersten Weltkriegs auf dem Invalidenfriedhof bestattet worden, unter ihnen die Jagdflieger Hans Joachim Buddecke, Erich Bahr und Oliver Freiherr von Beaulieu- Marconnay. Zahlreiche Träger des Pour le mérite ruhten auf dem Invalidenfriedhof, so auch Manfred von Richthofen, der als Held verehrte Jagdflieger, dessen sterbliche Überreste am 20. November 1925 aus Frankreich nach Berlin überführt wurden.

War das Invalidenhaus bis 1918 geschlossener Truppenteil der preußischen Armee, übernahm nach der Novemberrevolte das Reichsarbeitsministerium die Verantwortung, da es auch für die Versorgung der Kriegsopfer zuständig war.

Im Februar 1933 fand auf dem Invalidenfriedhof die Beerdigung des SA-Mannes Hans Maikowski statt. Er war auf dem Rückmarsch vom Fackelzug am 30. Januar 1933 von Kommunisten erschossen worden. Joseph Goebbels inszenierte dazu eine Großveranstaltung. Unter der Anteilnahme von rund 600 000 Berlinern hielten der Invalidenhauspfarrer, Reichstagspräsident Hermann Göring und Goebbels die Trauerreden am Grab, die der Rundfunk im ganzen Reich verbreitete.

1937 wurde die Anlage des Invalidenhauses wieder der Verantwortung des Reichskriegsministeriums unterstellt und 1939 die »Stiftung Invalidenhaus« nach Berlin-Frohnau verlegt, wo noch heute die Invalidensiedlung besteht.

Für die geplante Umgestaltung Berlins durch Albert Speer wurde eine Einebnung des Invalidenfriedhofes erwogen, wofür die Überführung der bedeutendsten Soldatengräber vom Invalidenfriedhof in die von Wilhelm Kreis entworfene Soldatenhalle geplant war. Der Zweite Weltkrieg (➞ Halbe, Kreta, Laboe, Seelower Höhen, Stalingrad) führte zur Einstellung der Projektierung. Die Beisetzungen prominenter Soldaten wie Ernst Udet oder Werner Mölders gehörten weiterhin zum propagandistischen Ritual. Auch für Reinhard Heydrich wurde ein monumentales Grabmal auf dem Invalidenfriedhof geplant. Das Vorhaben konnte wegen des Krieges nicht verwirklicht werden.

Neben führenden Vertretern des NS-Staates liegen auch Widerstandskämpfer auf dem Invalidenfriedhof, so Oberstleutnant Fritz von der Lancken, der für konspirative Treffen seine Potsdamer Villa zur Verfügung gestellt und dort auch den Sprengstoff für Stauffenberg (➞ Bamberg, Berlin – Bendlerblock) versteckt hatte.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Invalidenfriedhof durch alliierten Kontrollratsbeschluß als militärisches Objekt beschlagnahmt. Der Friedhofsbetrieb blieb davon zunächst unberührt. In einem Befehl vom 17. Mai 1946 verlangten die Alliierten die Entfernung aller »militaristischen und nationalsozialistischen Denkmäler« auf den Begräbnisplätzen. Im Juni 1950 begann mit einer Verfügung zur »Rekonstruktion« die erste Abräumaktion. Erste Grabstellen wurden eingeebnet versteckt hatte. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Invalidenfriedhof durch alliierten Kontrollratsbeschluß als militärisches Objekt beschlagnahmt. Der Friedhofsbetrieb blieb davon zunächst unberührt. In einem Befehl vom 17. Mai 1946 verlangten die Alliierten die Entfernung aller »militaristischen und nationalsozialistischen Denkmäler« auf den Begräbnisplätzen. Im Juni 1950 begann mit einer Verfügung zur »Rekonstruktion« die erste Abräumaktion. Erste Grabstellen wurden eingeebnet.

Im Mai 1951 wurde der Invalidenfriedhof auf Beschluß des Magistrats von Groß-Berlin geschlossen und der Ablauf der Ruhefrist aller vor 1925 belegten Grabstellen verkündet. Die Besuchszeiten wurden auf jeweils vier Stunden an vier Wochentagen eingeschränkt. Bis in die sechziger Jahre fanden jedoch noch Beerdigungen statt.

Die systematische Zerstörung des Invalidenfriedhofes begann mit dem Mauerbau 1961 (➞Berlin – Berliner Mauer). Zu dieser Zeit befanden sich auf dem Friedhof etwa 3 000 Grabstellen. Aufgrund seiner direkten Mauerlage erklärte das DDR-Regime große Bereiche der Anlage zum Grenzgebiet: Die Grabfelder E, F und G gehörten zum sogenannten Todesstreifen. Wachtürme, Scheinwerfer, Schießanlagen, eine Laufanlage für Wachhunde entstanden – und es wurde eine Betonstraße über Gräber gelegt. Eine Abteilung »Abräumung« beim Ostberliner Bezirksamt Mitte verzeichnete den Abbau von 94 Tonnen Grabdenkmalen sowie 26,5 Tonnen Grabsteinen; drei Tonnen Grabgitter wurden Altmetall.

Die Abtragung der Grabmale wurde nicht dokumentiert. 1967 war etwa ein Drittel des Friedhofes eingeebnet. Einzig die Gräber der Militärreformer Scharnhorst und Boyen, denen sich die DDR mit ihrer »Volksarmee« verpflichtet fühlte, verhinderten die Gesamtzerstörung des Invalidenfriedhofes. Die wohl einzige Umbettung der Nachkriegszeit war die des berühmten Jagdfliegers Manfred von Richthofen, der 1976 von Ost-Berlin auf den Heldenfriedhof nach Wiesbaden überführt wurde. Die »Königslinde« auf dem Invalidenfriedhof – unter der Friedrich der Große gerastet haben soll – wurde im Zuge des Ausbaus der Grenzanlagen gefällt. Am 23. Mai 1962 versuchte der 14jährige Schüler Wilfried Tews, über den Invalidenfriedhof in den Westen zu fliehen. Grenzsoldaten schossen auf ihn, Westberliner Polizisten erwiderten das Feuer. Letztere bargen schließlich den durch Schüsse verletzten Flüchtling am westlichen Ufer des Berlin-Spandauer Schiffahrtskanals. Der DDR-Grenzsoldat Peter Göring starb bei dem Schußwechsel.

Zwei Jahre später, am 22. Juni 1964, wurde der 29jährige Ostberliner Maurergehilfe Walter Heike bei einem Fluchtversuch auf dem Invalidenfriedhof erschossen.

Trotz schwerer Verwüstungen während der DDR-Zeit bot der Invalidenfriedhof nach der Maueröffnung im Jahre 1990 nicht zuletzt dank der Erhaltungsbemühungen des Institutes für Denkmalpflege der DDR mit seinen etwa 200 erhaltenen Grabmalen ein umfassendes Bild der Berliner Sepulkralkultur der letzten 200 Jahre. Zur Erhaltung dieses erstrangigen Nationaldenkmals gründete im November 1992 ein Kreis ehrenamtlicher Denkmalpfleger den »Förderverein Invalidenfriedhof e.V.«, der die Arbeiten der städtischen Behörden unterstützend begleitet.

Literatur

  • Laurenz Demps: Der Invaliden-Friedhof. Denkmal preußisch-deutscher Geschichte in Berlin, Berlin 1996.
  • Laurenz Demps: Zwischen Mars und Minerva. Wegweiser über den Invalidenfriedhof, Berlin 1998.
  • Förderverein Invalidenfriedhof e.V. (Hrsg.): Der Invalidenfriedhof. Rettung eines Nationaldenkmals, Berlin/Hamburg 2003.
Der Artikel wurde von Arvid Jakobson verfaßt.