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* Irenäus Eibl-Eibesfeldt: ''Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen'' [1970], zuletzt München 1998. | * [[Irenäus Eibl-Eibesfeldt]]: ''Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen'' [1970], zuletzt München 1998. | ||
* Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): ''Illusionen der Brüderlichkeit. Die Notwendigkeit, Feinde zu haben, Herderbücherei Initiative'', Bd 34, Freiburg i.B r. 1980. | * Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): ''Illusionen der Brüderlichkeit. Die Notwendigkeit, Feinde zu haben, Herderbücherei Initiative'', Bd 34, Freiburg i.B r. 1980. | ||
* Hanno Kesting: ''Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg'', Heidelberg 1959. | * Hanno Kesting: ''Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg'', Heidelberg 1959. |
Aktuelle Version vom 12. Oktober 2017, 15:03 Uhr
Feind geht seinem sprachlichen Ursprung nach wohl auf ein altes präsentisches Partizip zurück, das »hassend« bedeutet; umgekehrt kommt Freund von »liebend«. Die Etymologie gibt weiter Aufschluß darüber, daß im Germanischen als Freunde anfangs nur Sippen- und das heißt Kampfgefährten bezeichnet wurden, und Wilhelm Grönbech machte plausibel, daß ein Zusammenhang zwischen den Worten »Freund«, »Frieden« und »frei« bestand: Frieden hatte man durch und mit seinen Freunden, und diese Gemeinschaft bewahrte auch die Freiheit des einzelnen. Die Ähnlichkeit mit dem lateinischen amicus für Freund, das ebenfalls auf das Lieben verweist, und hostis, das gleichermaßen für den Feind und den Fremden steht, ist offensichtlich.
Während die Auffassung von Freundschaft durch das Christentum eine bedeutsame Erweiterung erfuhr, insofern nun alle einbezogen werden konnten, mit denen ein Gefühl verband, blieb der Sinn von Feindschaft statisch. Das gilt trotz der evangelischen Forderung nach Feindesliebe, da sie die Feindschaft keineswegs aufhebt, sondern fordert, sich auch dem F. als einem Geschöpf Gottes zuzuwenden; unversöhnliche Feindschaft gilt nach wie vor dem Satan als »altbösem F.« (Martin Luther). Immerhin hat das Christentum die existentielle Bedeutung der Feindschaft relativiert und durch seinen Universalismus bewirkt, daß die bis dahin als »natürlich« empfundene Feindschaft zwischen eigener und Fremdgruppe prinzipiell in Frage gestellt wurde.
»Nicht anders verhalten wir uns gegen den inneren Feind, auch da haben wir die Feindschaft vergeistigt, auch da haben wir ihren Wert begriffen. Man ist fruchtbar nur um den Preis, an Gegensätzen reich zu sein; man bleibt nur jung unter der Voraussetzung, daß die Seele sich streckt, nicht nach Frieden begehrt.«
Diese »natürliche Neigung« (Konrad Lorenz) zur Feindbestimmung hat sehr tiefe, in die Biologie des Menschen zurückreichende Wurzeln. So erklärt sich auch, daß unsere Spezies nicht nur Tiere als Feind wahrnimmt, wenn sie eine Konkurrenz oder Bedrohung darstellen, sondern außerdem durch kulturelle Unterscheidung – Tracht, Sprache, Sitte – »Pseudospezies« (Erik H. Erikson) bildet, die sich gegenseitig als fremd und feindlich betrachten.
Damit ist Entscheidendes über die politische Bedeutung des Feindbegriffs gesagt, insofern jede politische Gruppe sich auch über die Bestimmung von F. definiert. Es blieb den humanitären Ideologien überlassen, die seit dem 18. Jahrhundert einen nachhaltigen Einfluß auf das europäische Denken gewannen, diesen Sachverhalt zu bestreiten und zu behaupten, daß es durchaus einen innerweltlichen Zustand geben könne, in dem alle Feindschaft ende. Diese Idee einer umfassenden Brüderlichkeit verbindet sich mit dem Postulat, daß in Zukunft eine Menschengemeinschaft entstehe, die keinen ausschließe. Allerdings haben alle Umsetzungsversuche des Konzepts gezeigt, daß es in der Praxis zu einer radikalisierten Feindbestimmung neigt, das heißt: Alle etwa widerstrebenden Elemente werden mit Gewalt überzogen, die entweder zu deren totaler Vernichtung oder erzwungener Einordnung führen soll.
Vom jakobinischen »Die revolutionäre Regierung schuldet ihren Feinden nichts als den Tod« bis zur Behauptung Franklin D. Roosevelts, der Abwurf von Atombomben sei gerechtfertigt, um die Menschheitsfeinde zu vernichten und die »Eine Welt« zu errichten, gibt es insofern eine gerade Linie. Dabei erweist sich erneut die Richtigkeit der paradoxen Wahrnehmung, daß ein Feind um so abscheulicher wirkt, je ähnlicher er mir ist. Die Erfahrungen mit der furchtbaren Konsequenz von Feindvernichtungen in Bürgerkriegen seit der Antike bestätigen sich auch auf der Ebene des »Weltbürgerkriegs«, in dem Ideologien gegeneinander antreten, die immer in Anspruch nehmen, namens der Menschheit zu agieren, womit alle Feinde zu Feinden der Menschheit, eigentlich zu »Un-« oder »Untermenschen«, werden.
»Die Deutschen konnten bisher im allgemeinen nur Ich und Nicht-Ich, nicht aber Freund und Feind unterscheiden, was zur Folge hatte, daß sie jedes Nicht-Ich mit dem Feind verwechselten und dann, als sie den Unsinn erkannten, glaubten, ihn mit einem »Kuß der ganzen Welt« wieder in Ordnung gebracht zu haben.«
Deren Verknüpfung mit einem pazifistischen Pathos und deren massenhafte Wirksamkeit seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat es problematisch gemacht, überhaupt die Wahrheit auszusprechen, daß das Politische von einer condition antagoniste (Georges Sorel) geprägt ist, oder, wie es Carl Schmitt klassisch formuliert hat: »Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind« Schmitt betonte ausdrücklich, daß der Feind nicht moralisch böse, nicht ästhetisch häßlich oder ökonomisch schädlich sein müsse, es genüge, daß die Entgegensetzung als »existentiell« begriffen werde, das heißt jene Intensität erreiche, die den Kampf unausweichlich mache.
Vor allem die Wirkungen der linken Kulturrevolution seit den sechziger Jahren haben dazu geführt, daß diesem »Freund-Feind-Denken« vorgeworfen wird, es produziere erst die Verhältnisse, die es dann zu analysieren vorgebe. Dabei wird übergangen, daß es Schmitt und seiner Schule gerade um eine Begrenzung von Feindschaft geht, insofern man die Existenz des »gerechten Feindes« – im äußeren Konflikt – grundsätzlich anerkennt und vor dem Postulat eines »absoluten Feindes« – der nur theologisch aufzufassen wäre – ausdrücklich warnt. Die massiven Manipulationsversuche, die als Bekämpfung von »Vorurteilen« oder »Feindbildern« daherkommen, dienen im Kern nur dem Zweck, »Feindfähigkeit« grundsätzlich zu zerstören. Erst ganz allmählich, vor allem unter dem Eindruck der islamischen Bedrohung, wird im Westen wieder klarer wahrgenommen, daß bei einem Erfolg dieser Art von Umerziehung auch die Fähigkeit zur Selbstbehauptung verlorenginge.
Literatur
- Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen [1970], zuletzt München 1998.
- Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Illusionen der Brüderlichkeit. Die Notwendigkeit, Feinde zu haben, Herderbücherei Initiative, Bd 34, Freiburg i.B r. 1980.
- Hanno Kesting: Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg, Heidelberg 1959.
- Konrad Lorenz: Das sogenannte Böse [1963], zuletzt München 2000.
- Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen [1932], zuletzt Berlin 2002.
- Wolfgang Sofsky: Traktat über die Gewalt [1996], zuletzt Frankfurt a. M. 2005.
- Wolfgang Sofsky: Warum wir unsere Feinde kennen müssen, in: Die Welt vom 9. Januar 2007.