Projekt:Über Staatspolitisches Handbuch im Netz

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Version vom 24. September 2016, 18:01 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „'''Staatspolitisches Handbuch im Netz''' ist ein Nachschlagewerk, das die vier Bände '''Leitbegriffe''', '''Schlüsselwerke''', '''Vordenker''' und '''Deutsch…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Staatspolitisches Handbuch im Netz ist ein Nachschlagewerk, das die vier Bände Leitbegriffe, Schlüsselwerke, Vordenker und Deutsche Orte auf Basis eines Wikis vereint.

Band 4: Deutsche Orte

Der vierte Band des Staatspolitischen Handbuchs fällt etwas aus dem Rahmen der bislang vorliegenden Bände. Begriffe, Bücher und Personen sind ein gewohnter Bestandteil politischer Bildung. Positiv zeichnet sie eine allgemeine Anwendbarkeit aus, negativ ist die mangelnde Anschaulichkeit, die jeder theoretischen Arbeit anhaftet. Orte sind dagegen »anschaubar«. Sie sind vielleicht oft verändert worden und in die Bedeutungslosigkeit zurückgesunken; aber sie sind vorhanden, man kann sie aufsuchen und die historischen Ereignisse unmittelbar zu sich sprechen lassen. Wie wichtig solch ein konkreter Zugang zu Geschichte und Politik ist, läßt sich an den Kämpfen ablesen, die um die Deutung einzelner Orte geführt wurden und werden. Letztendlich entscheidet sich auch an der Deutungshoheit über die Orte unserer Geschichte, und damit unserer Heimat, das Schicksal unserer Nation als sinnstiftende Gemeinschaft.

Heimat war lange ein unschuldiger Begriff, der etwas heilen sollte, nämlich den Verlust derselben in den politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen des 18. Jahrhunderts, denen Konservative und Romantiker die Rückbindung und Erinnerung an etwas entgegensetzten, was Heimat war. Heimat war und ist insofern etwas spezifisch Deutsches, wenn Heimat als Ersatz für etwas galt, was der Deutsche lange vermißte: ein einiges und freies Vaterland. Aber auch andere Völker haben sich durch die Erinnerung und die gemeinsame Sprache über Zeiten gerettet, in denen sie keine unabhängige staatliche Form hatten. Die politische Brisanz der Heimat ist universell.

Politisch ist Heimat erst durch die Verknüpfung mit der Nation geworden, weil diese Ausdruck politischen Wollens ist, das sich auf einen bestimmten Raum mit den entsprechenden Menschen bezieht. Das bedeutet im Umkehrschluß nicht, daß Heimat eigentlich etwas Unpolitisches ist. In bezug auf die Heimatkunde ist sie es nie gewesen, weil diese nicht als Selbstzweck betrieben wird. In den geistigen Grundlagen der Heimatkunde liegt die Gewähr, »daß das tiefe Verbundenheitsgefühl mit dem eigenen Volke nicht bloß das Vorurteil einer Epoche von besonderer politischer Richtung ist. Wehe dem Menschen, der nirgends wurzelt! … Wir alle küssen den Boden unserer Muttererde, wenn wir Könige werden wollen, Könige nicht über die anderen, sondern im eigenen Reich«.

Was für den einzelnen gilt, ist ebenso Voraussetzung für die Gemeinschaft, der er angehört. Zum richtigen Verständnis der Heimat und damit des Ortes muß der Mensch als geschichtliches Wesen begriffen werden. Das bedeutet, daß sich der einzelne als geschichtlich bedingt versteht und die Gemeinschaft als eine historisch gewachsene Schicksalsgemeinschaft. Martin Heidegger knüpft an den »Wesensaufenthalt des geschichtlichen Menschen« das Wissen über den Menschen überhaupt. Der geschichtslose Mensch ist dann kein Mensch im eigentlichen Sinne.

Diesen Prozeß des Heimatverlustes kann man als Entortung des Menschen bezeichnen. Die geistigen Prozesse beziehen sich dabei nicht nur auf die Entfremdung vom Ort, sondern auch auf die von seiner Geschichte und seiner Gemeinschaft. Nietzsche spricht von der Vernichtung allen Daseins im Sinne einer radikalen Ablehnung von Wert, Sinn und Wünschbarkeit. Deshalb hat er seinem Zarathustra auch die Mahnung an die Jünger in den Mund gelegt: »Bleibt mir der Erde treu.«

Diese Forderung ist von konservativer Seite immer wieder aufgegriffen worden, ohne die Entortung aufhalten zu können; vielleicht weil das doch alles noch zu wenig konkret war. Am Konkreten werden all diese Dinge sichtbar. Warum der Ort, die Ortsgebundenheit, die Verwurzelung so etwas wie eine Garantie gegen den Nihilismus sind, hat Carl Schmitt deutlich gemacht, als er in seinem Nomos der Erde den Zusammenhang von Ordnung und Ortung als Ausgangspunkt des Rechtsdenkens beschrieben hat: »Das Recht ist erdhaft und auf die Erde bezogen. « Wenn dieser Zusammenhang nicht mehr existiert, bleibt nur der Nihilismus. Da heute die Bedrohung durch den Nihilismus so mächtig geworden ist, bedarf es einer politischen Wiederverwurzlung, einer Einpflanzung des geschichtlichen Sinnes in die Seelen. Dazu bietet sich der Mythos an, der ohne Ort aber im luftleeren Raum bleibt. Es muß daher um den mythischen Ort gehen, an dem die geschichtlichen Mythen konkret werden.

Von aufklärerischer Seite ist immer wieder mit Verwunderung bemerkt worden, wie hartnäckig sich der Mythos am Leben erhalten hat und der Weg alles andere als geradlinig zum Logos verläuft. Die Entzauberung erreicht zwar immer mehr Bereiche, es spricht aber einiges dafür, daß der Mythos zum Menschen gehört, der sich verliert, wenn dieser nicht mehr existiert. Daß der Mythos notwendig ist, dürfte unbestritten sein: »Die Kraft zum Handeln und zu einem großen Heroismus, alle große geschichtliche Aktivität, liegt in der Fähigkeit zum Mythos.« (Georges Sorel)

Diesen Mythos hat es 1813 ganz sicher gegeben. Und auch noch 1871 und 1914 war davon etwas zu spüren. Es ist daher nur konsequent gewesen, daß man diesen Zustand konservieren wollte, indem man möglichst eindrucksvolle Erinnerungsstätten und Wallfahrtsorte schuf, die diesen Moment der Größe und Geschlossenheit wachhalten sollten. Da uns heute diese Möglichkeit fehlt und diejenigen, die über die Möglichkeiten verfügen, Schandmale bevorzugen, bleibt uns der Hinweis auf die geschichtlichen Orte, die weiterhin existieren und, guten Willen vorausgesetzt, immer noch den Mythos in sich tragen.

Wir haben uns aus Platzgründen auf 100 deutsche Orte beschränkt. Die Listen, die wir im Laufe der Vorarbeiten erstellt haben, umfaßten wesentlich mehr Orte, so daß jeder einzelne Ort in seiner Bedeutung gegen andere abgewogen werden mußte. Wenn manche Leser auch den einen oder anderen Ort vermissen werden, so denken wir doch, die wesentlichen behandelt zu haben. Wichtig ist der Hinweis, daß es uns nicht um eine Liste der Schlachtfelder deutscher Geschichte ging (auch wenn diese ihren angemessenen Platz gefunden haben), sondern um ein Gesamtpanorama, in dem die Orte, an denen sich geistig-weltanschauliche Ereignisse vollzogen haben, ebenso wichtig sind. Wir haben uns sowohl um geographische als auch chronologische Gerechtigkeit bemüht und konnten dennoch den mitteldeutschen Schwerpunkt nicht verleugnen. Es finden sich auch einige wenige Orte, die nie in Deutschland lagen und die dennoch ihre Aufnahme in dieses Buch verdient haben.

Folgende Autoren, deren Namen unter den jeweils von ihnen verfaßten Beiträgen zu finden sind, haben an den Deutschen Orten mitgearbeitet: Norbert Borrmann, Alexander Dauenhauer, Steffen Dietzsch, Felix Dirsch, Jan von Flocken, Gerald Franz, Martin Grundweg, Thorsten Hinz, Arvid Jakobson, Götz Kubitschek, Martin Lichtmesz, Frank Lisson, Dirk Reitz, André Richter und Wulf D. Wagner. Ihnen gilt unser Dank.

Erik Lehnert & Karlheinz Weißmann
April 2014