Menschen inmitten von Ruinen

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Menschen inmitten von Ruinen (ital. Gli uomini e le rovino, Rom 1953).
Julius Evola, mit einer Einführung von Dr. H. T. Hansen, Tübingen: Hohenrain 1991.

Drei Jahre, nachdem er 1945 in Wien bei einem Bombenangriff verwundet worden war, kehrte Julius Evola, von der Hüfte abwärts gelähmt, in seine Heimat Italien zurück. Dort traf er auf Gruppen junger Menschen, die von ihm wissen wollten: »Was tun?« Menschen inmitten von Ruinen entstand als Antwort auf diese Frage. Evola entwirft hier keine politische, ökonomische oder soziologische Doktrin im eigentlichen Sinn, sondern legt vielmehr Orientierungen fest, die er für die wesentlichen hält, in Form von »Weisungen« existentieller Natur. So erschließt sich auch der Titel des Buches: In der unmittelbaren Folge des Zweiten Weltkriegs richtete Evola seine Worte an Menschen, die ihr Leben »inmitten von Ruinen« führten.

Das, was es zu »konservieren« und »revolutionär« zu verteidigen gilt, ist eine allgemeine Lebens- und Staatsanschauung auf der Grundlage höherer Werte und Interessen, die eindeutig die Ebene der Wirtschaft und alles dessen, was sich in den Begriffen wirtschaftlicher Klassen bezeichnen läßt, übersteigen.

Getreu seinem Weltbild betont Evola, daß die Politik keineswegs autonom ist, sondern sich ethisch und metaphysisch begründen muß: Für ihn ist sie eine Anwendung von Vorschriften aus der »Oberwelt«. »Die Grundlage eines jeden echten Staates«, erklärt er, »ist die Transzendenz seines ihn gestaltenden Prinzips«. Evola war bekanntlich ein grenzenloser Bewunderer des Staates – jenes »echten Staates«, ohne den, wie er glaubte, die Nation und selbst das Volk nicht bestehen können. In diesem Punkt vertritt Evola eine Auffassung, die im Widerspruch zu den Theoretikern des »Volksgeists« steht: Das Volk ist für ihn bloße »Masse«, die Nation Inbegriff eines »weiblich-mütterlichen« Naturalismus. Der Staat hingegen muß sich auf höheren geistig-metaphysischen Prinzipien gründen. Ausgehend von den Prinzipien eines« integralen Traditionalismus» zeigt Evola die Grundzüge einer Staatsdoktrin auf, die einen Ausweg aus dem Verfalls- und Auflösungsprozeß der Moderne weisen soll.

»Die Idee, und nur die Idee, darf … das echte Vaterland sein.« Die Elite, die er in Gestalt eines »Ordens« oder »Männerbundes« von »Erleuchteten« erneuern will, ist die Aristokratie einer »Rasse des Geistes«, eines besonderen Menschentyps, der einen Stil der »aktiven Indifferenz« pflegt. Der wahre Herrscher ist für ihn niemals ein »plebejischer« Populist, sondern offenbart sich durch seine bloße Präsenz als Verkörperung jener »höheren Idee«, die den Staat beseelen muß. Als Befürworter der Monarchie setzt Evola den Konservatismus mit der aristokratischen, hierarchischen, elitären Idee gleich, die einst das Fundament der abendländischen Tradition bildete.

Die Rolle der Obrigkeit und des »echten Staates«, der Protest gegen die »Dämonie der Wirtschaft«, die Rückbesinnung auf einen »unpersönlichen« Stil, die Kritik an Marxismus und Bürgerlichkeit, die Bildung einer neuen Elite, die Ablehnung des historistischen Geschichtsbildes – auf diese und andere Themen geht Evola ausführlich im ersten Teil seines Buches ein. Der zweite Teil ist disparater – das Ständewesen wird dort ebenso behandelt wie der »okkulte Krieg« – und aus heutiger Sicht in vielen Teilen überholt. Evola vertritt manchen Standpunkt, der bei einem rechten Autor ungewöhnlich anmutet, so etwa in seiner Kritik an Familie und Geburtenförderung, die er als Ausdruck der »Herrschaft der Masse« deutet. Man beachte zudem seine »positive« Kritik des Faschismus und Nationalsozialismus.

Menschen inmitten von Ruinen wird oft als »reaktionäres« Buch par excellence zitiert. Auf jeden Fall ist es das Werk, in dem Evola seine politischen Ansichten am deutlichsten niedergeschrieben hat. 1953 in Rom mit einer Einführung von Fürst Valerio Borghese veröffentlicht, hat es seither zahlreiche Neuauflagen erlebt. Für heutige Leser liegt der Wert des Buches vor allem in den darin enthaltenen Überlegungen zur Ethik. Evola war sich des Paradoxes bewußt, in einem Zeitalter der vollständigen Auflösung auf eine Rückkehr zum »echten Staat« hoffen zu müssen. Bereits 1961 war er in Den Tiger reiten zu dem Schluß gekommen, daß kein politisches Handeln im »traditionellen« Sinn den Niedergang verhindern könne, und hatte deshalb eine Abkehr vom Politischen gefordert: Menschen der Tradition, die sich den Einflüssen der Moderne entziehen wollen, bleibe keine andere Wahl, als sich in einer Haltung des individuellen Widerstands zu üben.

Literatur

  • Alain de Benoist: Julius Evola – réactionnaire radical et métaphysicien engagé. Analyse critique de la pensée politique de Julius Evola, in: Nouvelle Ecole (2003) 53/54.
  • Jean-Paul Lippi: Julius Evola. Métaphysicien et penseur politique, Lausanne 1998.
Der Artikel wurde von Alain de Benoist verfaßt.