Deutschland schafft sich ab

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Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen.
Thilo Sarrazin, München: DVA 2010.

Das erfolgreichste deutsche Sachbuch nach 1945 (nach weniger als zwei Monaten waren bereits über eine Million Exemplare verkauft) erschien offiziell am 30. August 2010 und wurde mit Thilo Sarrazin von einem Beamten verfaßt, der vor allem in der Ministerialbürokratie gewirkt hatte. Bekannt wurde Sarrazin in seiner Eigenschaft als Berliner Finanzsenator, der immer wieder durch provokante Äußerungen auffiel. Nach seinem Wechsel in den Bundesbankvorstand gab er der Zeitschrift lettre im September 2009 ein Interview, in dem er sich u. a. zu Mißständen bei der Integrationswilligkeit von Ausländern äußerte, was in sämtlichen Medien skandalisiert wurde.

Die daraus resultierende Popularität nutzte er geschickt für die Vermarktung seines Buches, in der er die gegenwärtigen Zustände in Deutschland auf den Feldern Bildung, Sozialstaat, Demographie und Ausländerintegration faktengesättigt und differenziert analysiert.

Seine Ergebnisse lauten: In Deutschland gibt es relative Armut, die von Lobbyisten zu einer absoluten aufgebauscht wird. Dabei ist Armut für die Betroffenen weniger ein finanzielles als ein geistiges Problem, aus dem die Unfähigkeit resultiert, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln ein selbstverantwortliches Leben zu führen. Die übermäßige Alimentierung des Nichtstuns führt dazu, daß es wenig Anreize gibt, dem zu entkommen. Ähnlich verhält es sich beim Bildungssystem, das nicht in der Lage ist, den hochqualifizierten Nachwuchs hervorzubringen, den Deutschland benötigt. Verschärft wird diese Problematik durch die islamische Migration, die sich nicht zuletzt deshalb Deutschland als Aufnahmeland gewählt hat, weil es hier ein Auskommen ohne Arbeit gibt. Deshalb kommen vor allem die Zuwanderer, die in ihrer Heimat zu den unteren Schichten zählen. Hochqualifizierte meiden Deutschland, weil ihnen hier wegen der Gleichheitsideologie die Entwicklungsmöglichkeiten fehlen. Der Islam verschärft die Situation zusätzlich, da Moslems den geringsten Willen zur Anpassung an deutsche Normen und Werte zeigen. Damit hat die Einwanderung für Deutschland keine positiven Effekte.

»Die sozialen Belastungen einer ungesteuerten Migration waren stets tabu, und schon gar nicht durfte man darüber reden, daß Menschen unterschiedlich sind … Es war tabu darüber zu reden …, daß der Einzelne selbst für sein Verhalten verantwortlich ist und nicht die Gesellschaft.«

Sarrazin sieht Deutschland in einer Abwärtsspirale, weil er davon ausgeht, daß statistisch gesehen in der Unterschicht relativ mehr Kinder geboren werden als in der Oberschicht und Ausländer relativ mehr Nachwuchs haben als Deutsche. Da bei der Intelligenz die Vererbung eine große Rolle spielt, wagt Sarrazin die These, daß Deutschland auf natürlichem Wege immer dümmer werde. Deshalb war die Einwanderung ein »gigantischer Irrtum « und muß in Zukunft aus muslimischen Ländern unterbunden werden. Integration ist zudem eine Bringschuld der Zugewanderten nicht der Einheimischen. Weitere Lösungsvorschläge von Sarrazin sind: Es muß mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme geben. Die Intelligenten müssen angehalten werden, mehr Kinder zu bekommen. Er plädiert in diesem Zusammenhang für eine durchgehende Betreuung der Kinder, um sie dem negativen Einfluß des (integrationsunwilligen bzw. asozialen) Elternhauses zu entziehen. Sarrazin hält es allerdings für »eine offene Frage, ob und inwieweit es überhaupt möglich ist, Reformen gegen strukturelle Veränderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und deren beständig sich ändernde Rahmenbedingungen durchzusetzen«.

Vieles von dem, was Sarrazin in seinem Buch vorbringt, wurde in den letzten dreißig Jahren bereits von anderen, vor allem konservativen Autoren thematisiert, ohne daß solch ein Medienecho die Folge gewesen wäre. In der Resonanz ist sein Buch wohl nur mit Spenglers Untergang des Abendlandes vergleichbar, dem Sachbuch- Bestseller der Weimarer Republik. Sarrazin bleibt jedoch nicht nur wegen seiner Aussagen wichtig, sondern auch, weil alle Versuche von Politik und Medien, ihn zu stigmatisieren und mundtot zu machen, an der Wirklichkeitsbezogenheit seiner Aussagen und der Unterstützung durch eine breite Öffentlichkeit gescheitert sind – ein Vorgang, der in der Bundesrepublik nach dem Fall der Mauer einzigartig ist.

Ausgabe

  • 14. Auflage (mit einigen wenigen Änderungen), München: DVA 2010.

Literatur

  • Sezession (2010): Sonderheft »Sarrazin lesen«.
Der Artikel wurde von Erik Lehnert verfaßt.