Kampf

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
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Kampf gehört zu den Grundbedingungen des Lebens. Das war lange bekannt, bevor man im darwinistischen Sinn von einem »Kampf ums Dasein« zu sprechen begann. Der Kampf mit den anonymen Kräften der Natur, mit tierischen Feinden, mit Menschen als Individuen wie als Gruppen gehörte immer zu den typischen Erfahrungen unserer Spezies. Auch die Problematik dieser Dimension, soweit sie die menschliche Existenz betrifft, war seit langem deutlich, und darum die Möglichkeit ganz verschiedener Bewertung: von prinzipieller Bejahung bis zu prinzipieller Verneinung.

»Man hat in dieser Welt keinen Erfolg, es sei denn mit der Spitze des Degens, und man stirbt mit den Waffen in der Hand.«

Voltaire

Pazifismus bildete allerdings bis in die Gegenwart eine Ausnahmeerscheinung. Soweit er nicht über eine quietistische Weltanschauung gerechtfertigt wurde, sah und sieht man ihn außerdem oft mit einer Vorstellung von Kampf im übertragenen Sinn – gegen metaphysische Feinde oder die negativen eigenen Antriebe – gerechtfertigt. Ähnlich selten wie die vollständige Ablehnung des Kampfes ist eine grundsätzliche Bejahung. Sie kommt eigentlich nur in primitiven Kriegergesellschaften vor, die den Daseinszweck im Beutemachen und Töten sehen. Selbst ein »heroischer Realismus«, der behauptet, daß es keinen erkennbaren Sinn gibt und alles auf die Daseinssteigerung ankommt (für die der Kampf als Stimulans dient), kann sich solchen archaischen Vorstellungen nur noch annähern.

Die häufigste Argumentation zugunsten des Kampfes ist die, die die Notwendigkeit und das Gute des Kampfes an bestimmte ethische Zwecke, etwa die Verteidigung der Heimat, des Rechtes, die Durchsetzung eines bestimmten Glaubens oder einer bestimmten Weltanschauung, bindet. Eine solche Verknüpfung des Kampfes mit ethischen Erwägungen erscheint in der Moderne häufig als die einzig denkbare.

»Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.«

Christus

Sie verkürzt allerdings die traditionell-europäische Bedeutung, die mit dem griechischen Begriff des agon – des »Wettstreites« – verknüpft wurde. Eine agonale Weltsicht kennzeichnete zuerst die homerischen Helden, für die es immer darum ging, im Kampf mit anderen die eigene aretē – die »Vorzüglichkeit« – unter Beweis zu stellen. Die Dynamik der griechischen Kultur bis in die klassische Zeit war ganz wesentlich davon bestimmt, daß die Vorstellung vom Sinn des agon auch aus dem kriegerischen Zusammenhang gelöst und in andere, den sportlichen Wettstreit oder den um die beste Politik, die beste Philosophie, die beste Kunst, übertragen werden konnte.

Ein Gedanke, den später das aus ganz anderen Traditionen herkommende Chri­stentum adaptiert und abgewandelt hat. Der Apostel Paulus sprach etwa im metaphorischen Sinn vom agon, ausdrücklich vom »Waffenlauf« um das Ziel des ewigen Lebens, und in der weiteren Geschichte der Kirche spielte die Vorstellung vom »geistlichen Kampf« eine wichtige Rolle. Daß die mit einem erheblichen Vorbehalt gegenüber dem Krieg im manifesten Sinn verbunden war, hinderte doch nicht an der theologischen Hochschätzung jener Tugenden, die üblicherweise dem Soldaten zugesprochen werden: Tapferkeit, Ausdauer, Disziplin.

Ausschlaggebend war dabei die Erkenntnis, daß die kämpferische ­Anstrengung beim Menschen zur Entfaltung von Wesenskräften führt, die ungenutzt bleiben, wenn man ihn dauernd in Ruhe hält. Eine Einsicht, die die moderne Verhaltensforschung bestätigt, wenn sie darauf hinweist, daß das »sogenannte Böse« (Konrad Lorenz) der Aggressivität eben auch Ansporn für alle überragenden Leistungen des Menschen ist.

Literatur

  • John Keegan: Die Kultur des Krieges [1993/1995], zuletzt Reinbek bei Hamburg 2003.
  • Konrad Lorenz: Das sogenannte Böse [1963], zuletzt München 2007.