Zyklus

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
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Zyklus bedeutet vom Griechischen kyklos her soviel wie »Kreis« beziehungsweise »Kreislauf«, vor allem Kreislauf der Zeit, bezieht sich also auf einen Vorgang, der partielle Veränderung mit sich bringt, aber immer wieder zu seinem Anfangspunkt zurückkehrt. Eine derartige An­schauung ist uralt, war in traditionalen Gesellschaften Normalität und prägt auch heute noch die Mentalität der großen asiatischen Kulturen. Diese zentrale Bedeutung des Zyklus hängt mit der frühen Wahrnehmung des Wechsels der Jahreszeiten durch den Menschen zusammen, der für die Wildbeuter ebenso von Bedeutung war wie für Bauern und Viehzüchter.

»Die Weltgeschichte ist ein ewiger Übergang vom Alten zum Neuen. Im steten Kreislauf der Dinge zerstört alles sich selbst, und die Frucht, die zur Reife gediehen ist, löset sich von der Pflanze ab, die sie hervorgebracht hat. Soll aber dieser Kreislauf nicht zum schnellen Untergange alles Bestehenden, mithin auch alles Rechten und Guten führen, so muß es notwendig neben der großen, zuletzt immer überwiegenden Anzahl derer, welche für das Neue arbeiten, auch eine kleinere geben, die mit Maß und Ziel das Alte zu behaupten und den Strom der Zeit, wenn sie ihn auch nicht aufhalten kann noch will, in einem geregelten Bette zu erhalten sucht.«

Friedrich von Gentz

Allerdings ist mit der Übertragung eines zyklischen Zeitbildes auf die Geschichte insgesamt eine Reihe von logischen Schwierigkeiten verbunden, da zwar im Lauf eines Jahres Frühling, Sommer, Herbst und Winter einander folgen und sich diese Abfolge dann genauso und fortwährend wiederholt, aber für das Leben der Individuen wie die Entwicklung ihrer natürlichen (Natur) Bedingungen und kulturellen Hervorbringungen gilt das nicht.

Eliade hat deshalb auf das Bedürfnis früher Völker hingewiesen, die Geschichte regelmäßig rituell zu »zerstören«, um an den Ursprung, die starke Zeit vor aller Zeit, zurückzukehren. Eine Vorstellung, die sich in Resten lange erhalten hat, aber in differenzierten Gesellschaften doch in den Hintergrund trat. Wollte man am Zyklus festhalten, war es nötig, eine Reihe von Zusatzannahmen zu machen; dazu gehören vor allem:

  1. die Idee einer Reinkarnation, das heißt einer Wiedergeburt und damit eines Wiederbeginns des einzelnen Lebens in einem anderen Körper,
  2. die Übertragung des historischen Zyklus ins Große, indem man etwa Weltjahre annimmt, so daß sich die Bedeutung der geschichtlichen Veränderungen minimiert, die nur noch scheinbare sind, aber etwa im Ablauf vom Goldenen zum Silbernen zum Ehernen zum Eisernen Zeitalter unerheblich bleiben, weil diese Folge nach dem Schluß der letzten Epoche von vorne beginnt,
  3. die Beschränkung, so daß der Zyklus nur noch bestimmte Aspekte der Sozialordnung betrifft, zum Beispiel die Abfolge der Verfassungsformen im Sinn einer Degeneration und Regeneration oder die Phasen derselben Entwicklungsstufen, die nacheinander die verschiedenen Kulturen durchlaufen,
  4. die Modifikation, indem man zum Beispiel an die Stelle des geschlossenen Kreises eine Spirale setzt und so eine tendenzielle Veränderung zugibt.

Der Einfluß derartiger Modelle auf soziale Theorien und das Geschichtsdenken war und ist erheblich. In Europa gab es allerdings immer den stärksten Widerstand gegen das Konzept, da unter dem Einfluß der biblischen Zeitvorstellung eigentlich nur eine lineare Anschauung möglich war, die die Einmaligkeit der historischen Ereignisse und die Einmaligkeit der menschlichen Individuen behaupten mußte. Davon sind auch die Geschichtstheorien der Moderne nicht abgewichen, wenngleich sie mit der Fortschrittsidee eine andere Auffassung von der Richtung des historischen Prozesses einführten.

»Die Skepsis des Nüchternen gilt auch eher der geschichtsdynamischen Grundfigur von der Wiederkehr, der Wiederherstellung, der Glorie der Anfänglichkeit an sich, die vom Mittelalter bis zur Romantik (einschließlich Nietzsche und Nachfolge) Verheißung trug in ein blindes Weltgeschehen. Erst einem detailscharfen, hochauflösenden Geschichtsbewußtsein der neueren Zeit vergeht dies Schema einer modifizierten Heilserwartung.«

Botho Strauß

Dagegen wandte sich Nietzsches Generalangriff auf das Christentum und die zeitgenössischen Werte mit seiner Rehabilitierung des Z. in der Lehre von der »ewigen Wiederkehr«. Überzeugend gelungen ist das außerhalb des literarischen Bereichs nicht, weil es letztlich keinen Weg zurück in die Gewißheiten des heidnisch-antiken Menschentums gab.

Literatur

  • Mircea Eliade: Kosmos und Geschichte. Frankfurt, M.; Leipzig: Verl. der Weltreligionen, 2007. DNB-Katalog
  • Gerd Harders: Der gerade Kreis - Nietzsche und die Geschichte der ewigen Wiederkehr. Berlin: Duncker & Humblot, 2007. DNB-Katalog
  • Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Stuttgart; Weimar: Metzler, 2004. DNB-Katalog
  • Armin Mohler; Karlheinz Weißmann: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Graz: Ares-Verl., 2005. DNB-Katalog
  • Walter F. Otto: Theophania. Frankfurt am Main: Klostermann, 1993. DNB-Katalog