Das konservative Minimum

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Das konservative Minimum.
Karlheinz Weißmann, Schnellroda: Edition Antaios 2007.

Im Zuge der rot-grünen Regierungskoalition (1998–2005) und der anschließenden Großen Koalition (2005–2009) in Deutschland sowie der damals überwiegend sozialdemokratischen Regierungen in Europa waren zwei Entwicklungen zu beobachten: Jenseits der Parteien gab es eine Wiederkehr des Konservativen bzw. dessen, was man darunter verstand. Die Gründung des Politikmagazins Cicero (2004), in dem der Herausgeber Wolfram Weimer konservative Positionen vertrat und damit eine gesellschaftspolitische Alternative andeuten wollte, stand beispielhaft für diese Tendenz.

»Unbestreitbar wurde die Niederlage von 1945 auch als Niederlage der Rechten aufgefaßt … Allerdings besagte das nichts gegen die Annahme einer prinzipiellen Legitimität der konservativen Position.«

Daß es sich dabei weniger um eine politische Option als einen »Wohlfühlkonservatismus« handelte, zeigt Weißmann in seiner konzentrierten Schrift. Er macht darin einen »konservativen Trend« aus, der sich vor allem darin zeigt, daß »konservativ« keine ausschließlich negativen Assoziationen mehr weckt. Weißmann erklärt diesen Trend mit einer enttäuschten Erwartungshaltung der Wähler und einer Krise des »linken Denkstils«. Daß die konservative Seite so marginalisiert war (und wohl auch weiter blieb), hat sie nicht nur der Bereitschaft ihrer Gegner zu verdanken, diese Option um jeden Preis zu kriminalisieren, sondern auch der eigenen Naivität, mit der sie der Meinung war, daß der Pluralismus auch ihr einen politisch angemessenen Platz bereithalten würde.

Die neue geistige Situation hat nicht dazu geführt, das Wort »konservativ« mit Inhalt zu füllen und die Machtfrage ins Zentrum der Auseinandersetzung zu rücken. Dazu bedarf es in der parlamentarischen Demokratie einer Partei, über die der Konservatismus nicht mehr verfügt. Die CDU behauptet nicht einmal mehr, eine solche zu sein. Die konservative Haltung interpretiert Weißmann daher als Ausdruck einer naiven Akzeptanz der Verhältnisse und nicht als politische Option, die einen Gegenentwurf zum jetzigen Zustand bereithalten müßte. »Konservativ« steht gegenwärtig deshalb für eine Lebenseinstellung, die sich auf den privaten Bereich beschränkt und, im besten Fall, zu einer verantwortungsbewußten Haltung im Gesamtrahmen führen kann.

Weißmann zeigt dagegen, was »konservativ« eigentlich bedeutet: ein an der Wirklichkeit, der Fülle des Lebens, orientiertes, durch Erfahrung gelenktes Denken, das den Menschen als »problematisches Wesen« sieht, das Ordnung und Institutionen braucht und in der Tradition seine Heimat hat. Über all das täuschen die landläufigen konservativen Wortmeldungen hinweg, weil sie den Kern, die Dekadenz, nicht einmal in den Blick nehmen. In zehn Punkten entwirft Weißmann abschließend eine konservative Agenda als eine Kampfansage an die Wohlfühlkonservativen und hofft, daß ein Streit über konservative Programmatik konkrete Früchte tragen wird. Dieser Streit ist bislang ausgeblieben. Der Begriff »konservativ« ist mit seiner neuen Akzeptanz nicht weniger beliebig geworden und taugt kaum noch als kleinster gemeinsamer Nenner.

Ausgabe

Der Artikel wurde von Erik Lehnert verfaßt.