Autorität

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
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Autorität ist ein ursprünglich aus dem Lateinischen stammender Begriff – auctoritas –, der soviel wie »Geltung« oder »Vollmacht« bedeutet. In diesem Sinn hat er sich bis heute in seinen Übersetzungen erhalten. Dabei bezeichnete Autorität von Anfang an die Amtsautorität, die durch formelle Übertragung einer Befugnis gegeben wird, ebenso wie die persönliche Autorität, die aus einer besonderen zwischenmenschlichen Beziehung resultiert. Nach Max Weber gründet alle Autorität auf der Wechselbeziehung von »Befehlsgewalt und Gehorsamspflicht«, ganz gleichgültig, ob Autorität aus überlieferter Herrschaft, administrativer Verfügung oder Charisma hergeleitet wird. Manche Autoren meinen allerdings, daß nur solche Autorität, die »die Ganzheit des Menschen … in Erscheinung« (Ernst Forsthoff) treten läßt, Autorität im Vollsinne sei. An dieser Stelle berührt sich die Frage nach der Autorität mit der nach der Legitimität.

»Wer Autorität gegen mich hat, wird mir immer in irgendeiner Weise »zu nahe« treten.«

Friedrich Gogarten

Autorität ist immer mit Machtbesitz verbunden, geht aber über die Möglichkeit, Gewalt anzudrohen oder anzuwenden, deutlich hinaus. Wesentlich für die Ausübung von Autorität ist das Ansehen (vielleicht verstärkt durch Kleidung oder Abzeichen) desjenigen, der über sie verfügt, und die Bereitschaft zum Gehorsam (Friedrich Gogarten: »Hörigkeit«) desjenigen, der sich der Autorität fügen soll.

Daß Autorität faktisch in allen entwickelten Gemeinschaftsformen auftritt, ist unbestritten. Die Verhaltensforschung kennt entsprechende Phänomene auch aus dem Tierreich. Für den Menschen gibt es allerdings besondere Möglichkeiten, die Geltung von Autorität zu bestreiten. Das geschieht regelmäßig im Namen von Autonomie und Freiheit. Entsprechende Beispiele lassen sich in der Geschichte zahlreich nachweisen. Allerdings ist das Phänomen seit der Französischen Revolution endemisch geworden.

»Historisch können wir sagen, daß Autoritätsverlust – das heißt der radikale Zweifel nicht an der Legitimität gerade herrschender Gewalten, sondern an der Legitimität von ­Autorität überhaupt – nur das letzte und dann allerdings entscheidende Stadium einer Entwicklung ist, in der Jahrhunderte lang nur Tradition und Religion wirklich erschüttert waren.«

Hannah Arendt

Das hat seine Ursache im Bedeutungsverlust von Tradition und Religion, die die bestehende Autorität rechtfertigten, einerseits, im Erfolg utopischer Konzepte, die alle eine gewisse anarchistische Tendenz aufweisen und glauben machen wollen, der Mensch könne ohne Autorität existieren, andererseits.

Die einflußreichste Strömung dieser Art war die in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zur Geltung kommende »Antiautoritäre Pädagogik«, die im Bündnis mit Vulgärmarxismus und Vulgärpsychoanalyse die Auffassung verbreitete, daß Kinder faktisch ohne Disziplinierung und Strafe aufwachsen sollten. Derartige Forderungen wurden mit dem Hinweis auf sonst drohende seelische Erkrankungen, aber auch mit dem Programm gerechtfertigt, das eine libertäre Gesellschaftsform vorwegnehme, in der es keine Ausbeutung und vor allem keine Herrschaft von Menschen über Menschen mehr geben würde.

Derartige Vorstellungen sind mittlerweile stark zurückgedrängt, aber es hat sich ein tiefer Affekt gegenüber der Autorität erhalten, soweit sie aus der Überlieferung gespeist wird. Viele Züge der Verwahrlosung in den westlichen Gesellschaften lassen sich auf diese Weise erklären, auch die Schwierigkeit, Autorität qua Entschluß wiederherzustellen.

Literatur

  • Hannah Arendt: Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart, Frankfurt a. M. 1957.
  • Wolfgang Brezinka: Die Pädagogik der Neuen Linken, Stuttgart-Degerloch 1972.
  • Bernhard Bueb: Lob der Disziplin, München 2005.
  • Ernst Forsthoff: Rechtsstaat im Wandel. Verfassungsrechtliche Abhandlungen 1950–1964, Stuttgart 1964.
  • Friedrich Gogarten: Wider die Ächtung der Autorität, Jena 1932.