Menschenbild: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr
Menschenbild bezeichnet in etwa, was man Anthropologie in praktischer Absicht nennen könnte, also ein Konzept des Menschen, das auf individueller und kollektiver Erfahrung einerseits, gewissen theoretischen Annahmen andererseits beruht. Im Prinzip ist es für niemanden möglich, ohne Menschenbild auszukommen, das Reflexionsniveau mag so niedrig sein wie es will.
»Die Zoologie zeigt uns, daß der Mensch Reißzähne besitzt; hüten wir uns, seine wilden Raubtierinstinkte zu wecken. Die Psychologie zeigt uns, daß die Vernunft beim Menschen durch Wörter und Bilder gestützt wird; hüten wir uns, in ihm den Narren und Phantasten wachzurufen. Die Geschichte zeigt uns, daß die Staaten, die Religionen, die Kirchen, alle großen Institutionen, die einzigen Mittel sind, durch welche der tierische und wilde Mensch sein geringes Teil Vernunft und Gerechtigkeit erwirbt …«
Für den politischen Zusammenhang spielt das Menschenbild deshalb eine so wichtige Rolle, weil aus Annahmen über das Wesen des Menschen zwingend politische Schlüsse zu ziehen sind. Das erklärt auch, warum zu den plausibelsten Unterscheidungen zwischen der Linken und Rechten gehört, daß man der ersten ein optimistisches Menschenbild, der zweiten ein pessimistisches zuordnet. Die Linke kommt zu ihren wohlwollenden Annahmen, weil sie davon ausgeht, daß der Mensch bei seiner Geburt ein »weißes Blatt« ist, das durch entsprechende Erziehung und Sozialisierung in jede moralisch wünschbare Form gebracht werden kann, die Rechte neigt zur Skepsis, weil sie beim Menschen eine unwandelbare und problematische Natur voraussetzt. Die Linke neigt deshalb zu Psychologie und Gesellschaftswissenschaften, Egalitarismus und dauerhafter Indoktrination, die Rechte zu Biologie und Geschichte, Hierarchie und institutioneller Einbindung.
Hat die Rechte ihre Auffassung traditionell durch den Hinweis auf die Religion begründet, insbesondere die Sündhaftigkeit des Menschen und die göttliche Stiftung des Staates, glaubte die Linke unter dem Einfluß von Rationalismus und Aufklärung nicht nur an die Perfektibilität der Welt, sondern auch an die vollständige Humanisierung des Menschen. Obwohl sich weder die eine noch die andere Erwartung erfüllte, wuchs der Einfluß des linken Menschenbildes seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer weiter an. Und das, obwohl weder die philosophisch begründete Annahme einer menschlichen »Sonderstellung« (Max Scheler) noch die Ergebnisse der Naturwissenschaften Anhaltspunkte für eine prinzipielle Gleichheit oder Güte des Menschen lieferten.
»Das Etikett Humanismus erinnert – in falscher Harmlosigkeit – an die fortwährende Schlacht um den Menschen, die sich als Ringen zwischen bestialisierenden und zähmenden Tendenzen vollzieht.«
Im Gegenteil müßte man aus den Forschungen, insbesondere der Genetik und Ethologie, folgern, daß die Menschen als einzelne wie als Gruppen ungleich sind, was ihre intellektuellen und körperlichen Fähigkeiten betrifft, daß sich diese Ungleichheiten nur bedingt korrigieren lassen oder die Korrektur erhebliche negative Begleiterscheinungen hat, daß das Verhalten in vielen Fällen Dispositionen unterliegt, auf die wir keinen Einfluß haben, und Versuche, Verhaltensänderungen zu erzwingen, regelmäßig in ihr Gegenteil umschlagen.
Da sich diese Tatsachen nicht im Ernst bestreiten lassen, hat die Linke den aktiven Kampf um das Menschenbild vor längerem abgebrochen und versucht, ein »Anthropologieverbot« (Odo Marquard) zu installieren, das jede Bezugnahme auf die Natur des Menschen als »rassistisch«, »inhuman«, »politisch nicht korrekt« etc. abqualifiziert.
Literatur
- Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens [1984], zuletzt Vierkirchen-Pasenbach 2004.
- Arnold Gehlen: Der Mensch [1940], zuletzt Wiesbaden 2004.
- Max Scheler: Die Stellung des Menschen im Kosmos [1928], zuletzt Bonn 2005.
- Peter Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark, Frankfurt a. M. 1999.
- Dieter E. Zimmer: Unsere erste Natur, zuletzt Frankfurt a. M. 1982.