Der Nomos der Erde: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 20. Februar 2017, 16:10 Uhr
- Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum.
- Carl Schmitt, Köln: Greven 1950.
Carl Schmitt schrieb den Nomos der Erde, seine letzte umfangreiche, geschlossene Veröffentlichung, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, konnte es jedoch erst 1950 veröffentlichen. Er beschreibt darin die Entstehung und den Niedergang des europäischen Völkerrechts, des Jus Publicum Europaeum. Dabei geht Schmitt von einem Rechtsverständnis aus, das der heutigen positivistischen Rechtswissenschaft völlig fremd bleiben muß. Das Recht kann demnach nicht einfach als ein abstraktes System von Normen aufgefaßt werden, sondern muß stets in Verbindung mit dem Ort seiner Geltung betrachtet werden. Schmitt sieht einen ursprünglichen, mythischen Zusammenhang zwischen der Erde und den Ordnungen, die die Menschen auf ihr errichten. Die Erde ermöglicht als Mutter des Rechts den Menschen die Schaffung von Ordnungen auf ihrer Oberfläche, von der simplen Umzäunung über die Familie bis zum Staatswesen.
Erster rechtsbegründender Akt ist immer eine »Landnahme«, bei der einem bestimmten Teil des Bodens ein einteilendes Maß gegeben wird. Jedes echte Recht entsteht daher aus der Einheit von Ordnung und Ortung. Dieser Zusammenhang macht für Schmitt die wahre Bedeutung des Wortes Nomos aus, welches er deshalb auch nicht einfach als Bezeichnung für Gesetze oder sonstige Regelungen verwendet sehen will. Der Erde, dem Land, stellt er das Meer gegenüber, das sich aufgrund seiner Beschaffenheit dem ordnenden und ortenden Recht entzieht. Jener elementare Gegensatz – dem Schmitt bereits Land und Meer (1942) gewidmet hat – war dem europäischen Völkerrecht tief bewußt, weshalb es auch den Grundsatz der Freiheit der Meere aufgestellt hat.
Den Beginn der Epoche des Jus Publicum Europaeum setzt Schmitt im 15. und 16. Jahrhundert an, dem Zeitalter der Entdeckung einer »Neuen Welt«. Die Landnahme der europäischen Mächte auf dem amerikanischen Kontinent ging mit einer veränderten Raumvorstellung einher. Zum ersten Mal in der Geschichte entwickelte sich ein planetarisches Bewußtsein, das die gesamte Erdkugel umfaßte. Die neu entdeckten freien Räume warteten scheinbar nur darauf, von den sich ihrer geschichtlichen Macht bewußten Völkern Europas in Besitz genommen zu werden.
Während nun die ersten Aufteilungen des neuen Landes durch die Autorität des Papstes sanktioniert wurden, die von den damals noch katholischen Mächten als maßgebende anerkannt wurde, kam es mit den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts zu einem grundlegenden Wandel. Damit mußten auch spezifische Formen einer neuen völkerrechtlichen Ordnung entstehen. In den überseeischen Gebieten wurden mittels sogenannter Freundschaftslinien Räume ausgegrenzt, in denen den erobernden Mächten keine Beschränkungen mehr auferlegt waren und lediglich das Recht des Stärkeren galt. Hier herrschte der Naturzustand im Sinne von Hobbes’ homo homini lupus. Dabei war der Sinn dieser amity lines aber gerade die Sicherung des Friedens in Europa. Die Konflikte auf dem neuen Kontinent sollten nicht auch die ohnehin problematische europäische Situation belasten und wurden deshalb als etwas ganz anderes gewertet, das den herkömmlichen Regelungen nicht unterworfen war.
Darin lag aber auch im Kern schon die Etablierung einer »Neuen Welt«, die die europäische Ordnung in Frage stellen mußte.
Das europäische Völkerrecht beruhte laut Schmitt auf der Neutralisierung konfessioneller Gegensätze. Dies wurde möglich durch die Entstehung von souveränen, gleichberechtigten Staaten. Alles, was das Jus Publicum Europaeum ausgemacht hatte, beruhte demnach auf seinem wesentlich zwischenstaatlichen Charakter. Das große Verdienst des europäischen Völkerrechts war unzweifelhaft die Begrenzung und Hegung des Krieges. Gelungen ist ihm dies, so Schmitt, durch die Zurückdrängung des »gerechten Krieges«, der eine justa causa voraussetzt. Nach dem formalisierten Kriegsbegriff des europäischen Völkerrechts war ein Krieg nun aber schon dann gerecht, wenn er zwischen souveränen Staaten auf europäischem Boden geführt wurde. Es wurde nicht nach moralischen Motiven diskriminiert. Der europäische Staatenkrieg hatte somit Duellcharakter. Er lief nach formalen Regeln ab, denen die Parteien beiderseits unterlagen. Der Feind war als Staat immer auch gerechter Feind, justus hostis, und wurde damit in seiner grundsätzlichen Integrität respektiert. Dadurch erst wurde der Abschluß eines Friedensvertrages möglich, in dem immer auch eine Amnestieklausel enthalten war. Zugrunde lag hier allerdings die Vorstellung einer europäischen Raumordnung, auf die sich der Geltungsbereich dieses Rechts beschränkte. Territoriale Änderungen als Bedrohung des Gleichgewichts innerhalb dieses Raumes betrafen stets alle darin vereinigten Mächte, aber eben auch nur diese. Daher mußte das Erlöschen einer konkreten europäischen Raumvorstellung schließlich zum Untergang des Jus Publicum Europaeum führen.
Mit der Anerkennung immer weiterer nichteuropäischer Staaten wurde aus dem Völkerrecht eine sinnlose Anhäufung allgemeiner Regeln und Grundsätze, »ein strukturloses Chaos, das keiner gemeinsamen Hegung des Krieges mehr fähig war und für das schließlich nicht einmal mehr der Begriff ›Zivilisation‹ als Substanz einer gewissen Homogenität gelten konnte«. Jener Universalisierungsprozeß gipfelte dann nach dem Ersten Weltkrieg im Genfer Völkerbund, der sich aus Staaten aller Erdteile zusammensetzte. Es gab nun keine allen einleuchtenden Prinzipien mehr, die die Lage hätten ordnen können, »und es waren Delegierte von Paraguay, Uruguay und ein indischer Maharadschah, die Europa über die Einheit der Erde belehrten«.
»Jahrtausendelang hatte die Menschheit wohl ein mythisches Bild, aber keine wissenschaftliche Erfahrung von der Erde im Ganzen. Es gab keine Vorstellung eines Planeten, der von menschlicher Messung und Ortung erfaßt und allen Menschen und Völkern gemeinsam war. Es fehlte jedes in diesem Sinne globale Bewußtsein und daher auch jedes auf das gemeinsame Gestirn gerichtete politische Ziel.«
Schmitt widmet sich besonders der Rolle der USA und ihrer Dialektik von Isolation und Intervention, die er als Folge eines spezifischen Sonderbewußtseins interpretiert. Die »Neue Welt« sieht sich demnach als Reich der Freiheit und des Friedens, dem ein korruptes, abgelebtes Europa gegenübersteht. Ihr fehlt aber auch ein klarer, auf einen bestimmten Boden bezogener Raumbegriff, was es ihr ermöglicht, ihren Einflußbereich beliebig weit auszudehnen und einen globalen Universalismus voranzutreiben. Im Angesicht des Kampfes gegen die »Achse des Bösen« leuchten dem heutigen Leser diese Ausführungen Schmitts unmittelbar ein.
Mit der Zerstörung des europäischen Völkerrechts und der fortschreitenden Technisierung mußte auch eine Hegung des Krieges unmöglich werden. Der Feind konnte nun nicht mehr als gleichberechtigt anerkannt werden, sondern wurde zum Verbrecher, den es zu vernichten gilt. Der Nomos der Erde führt dem Leser vor Augen, wie eine großartige Leistung des europäischen Geistes dem auflösenden Universalismus zum Opfer fallen konnte. Schmitt macht zudem deutlich, daß der Frieden etwas ist, das am allerwenigsten durch humanitäre Phrasen garantiert werden kann.
Ausgabe
- 4. Auflage, Berlin: Duncker & Humblot 1997.
Literatur
- Alain de Benoist: Carl Schmitt und der Krieg, Berlin 2007.
- Felix Blindow: Carl Schmitts Reichsordnung. Strategie für einen europäischen Großraum, Berlin 1999.
Der Artikel wurde von Wiggo Mann verfaßt.