Lüneburger Heide: Unterschied zwischen den Versionen
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* Hermann Knottnerus-Meyer: ''Der unbekannte Löns'', Jena 1928. | * Hermann Knottnerus-Meyer: ''Der unbekannte Löns'', Jena 1928. | ||
* Richard Linde: ''Die Lüneburger Heide'', Bielefeld/Leipzig 1904. | * Richard Linde: ''Die Lüneburger Heide'', Bielefeld/Leipzig 1904. | ||
* Rolf Lüer: ''Geschichte des Naturschutzes in der Lüneburger Heide'', Niederhaverbeck 1994. | * Rolf Lüer: ''Geschichte des Naturschutzes in der Lüneburger Heide'', Niederhaverbeck 1994. | ||
* Konrad Maier: ''Die Lüneburger Heide. Kunst und Kultur im ehemaligen Fürstentum Lüneburg'', München/Berlin 1978. | * Konrad Maier: ''Die Lüneburger Heide. Kunst und Kultur im ehemaligen Fürstentum Lüneburg'', München/Berlin 1978. | ||
Aktuelle Version vom 25. Oktober 2016, 21:30 Uhr
- Niedersachsen, zwischen Hamburg und Wolfsburg
Lila Erika, bleiche Sandwege, düstere Wacholderhaine, hin und wieder ein Hügelgrab und in der Ferne ein Schäfer mit seiner Heidschnuckenherde. So stellt man sich die Heide vor, und so haben weite Teile Norddeutschlands tatsächlich einmal ausgesehen. Heute muß man sich sein Stück Idealheide schon suchen; denn von der einst riesigen, mit Heidekraut bewachsenen Fläche ist nur wenig übriggeblieben. Doch in der Nordheide, am Wilseder Berg, gibt es von diesem ländlich-zeitentrückten Bild noch einiges zu bewundern. 1921 wurden hier 20 000 Hektar zum ersten deutschen Naturschutzgebiet erklärt und bilden seitdem das Herzstück der Lüneburger Heide.
Die Lüneburger Heide ist eine überwiegend flachwellige Heide-, Geest- und Waldlandschaft im Nordosten Niedersachsens. Benannt ist sie nach der Stadt Lüneburg. Auf dem sandigen und unfruchtbaren Boden entstanden bereits in der Jungsteinzeit, seit 3000 v. Chr., durch intensive Beweidung der damaligen Traubeneichenwälder größere offene Flächen, die sich mit einer auch Erika genannten Besenheide (Calluna vulgaris) bestockten. Während der Völkerwanderung nahm der Waldanteil des Gebietes allerdings wieder erheblich zu, und erst ab dem Jahr 1000 n. Chr. kam es erneut zu einer großflächigen Ausbreitung der im August und September lila aufblühenden Calluna-Heiden. Zurückgeführt wird dies vor allem auf die Umstellung von einer ortsungebundenen zu einer ortsgebundenen Landwirtschaft und die damit einhergehende Errichtung fester menschlicher Siedlungen.
Damit entstand auch die weit bis in das 19. Jahrhundert hinein betriebene typische Heidebauernwirtschaft: Aufgrund der unfruchtbaren Böden mußten die wenigen vorhandenen Nährstoffe eines großen Gebietes auf verhältnismäßig kleinen Äckern konzentriert werden, damit dort überhaupt etwas angebaut werden konnte. Das geschah durch die Abtragung des Heidebodens, der in Vermengung mit Stallmist als Dünger auf die zu bewirtschaftenden Felder aufgebracht wurde. Der größte Teil des Bodens gehörte allerdings der Heidschnucke, die den Bauern Fleisch, Wolle, Leder und Dünger brachte. Die Heidschnucken, eine uralte Schafrasse, sind völlig auf das Heidekraut als Hauptnahrung eingestellt. Die Schnuckenschafe knabbern das Heidekraut ab, das dann um so kräftiger nachwächst, reichlich blüht und durch diesen »Rasenmäher-Effekt« ständig verjüngt wird. Wenn die Heide sich selbst überlassen bleibt, genügt ein Vierteljahrhundert, bis sie verholzt ist, lückenhaft wird und schließlich von selbst abstirbt.
Die Heide ist also, mag sie dem Betrachter auf den ersten Blick noch so urtümlich und aus der Zeit herausgefallen erscheinen, keine Naturlandschaft, sondern eine erst durch Menscheneingriff entstandene Kulturlandschaft. Diese Landschaft, weit, sandig, unfruchtbar und aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit auch nur dünn besiedelt, erschien den Reisenden früherer Jahrhunderte keineswegs als Ferienparadies, sondern als besonders öde Wüstenei. Die Beurteilung der Heide erinnert an die der Alpen, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als bizarr, häßlich und nicht ganz geheuer galten – allerdings dauerte es bei der Lüneburger Heide länger, bis sie »entdeckt« wurde.
Erst als das Überleben der Heide bedroht war, erst als der Kunstdünger auch den unfruchtbaren Heideboden fruchtbar machte, erst als die Heidelandschaft mit Nadelwäldern aufgeforstet wurde und die einst gewaltigen Heidschnuckenbestände beängstigend zusammenschrumpften, erst da wurde die Schönheit der Heide »entdeckt«. Für diesen Wandel steht vor allem ein Name: Hermann Löns. Zwar war der »Heidedichter« nicht der einzige, der für das Überleben der Heide kämpfte – so erwarb sich etwa auch der »Heidepastor « Wilhelm Bode für deren Erhalt große Verdienste –, aber es war doch der mit seinen Gedichten, Erzählungen und Romanen sehr erfolgreiche Löns, der die Lüneburger Heide erst zum Sehnsuchtsort vieler Deutscher machte.
Löns, der lange Zeit als Redakteur in Hannover lebte, schrieb über seine Liebe zur Natur, zur Jagd und zur Heide: »Schließlich war die Jagd meine Rettung. Suche und Treibjagd langweilten mich; die heimliche Pirsch in Heide, Moor und Wald brachte mich wenigstens einige Stunden zum Nachdenken. Ich sah, während ich an Bock und Fuchs dachte, die Natur in ihren großen Umrissen; ich lernte, daß mir das Landvolk mehr bot als das der großen Stadt. Ganz urplötzlich entstand mitten zwischen den journalistischen Arbeiten ein Gedicht, das sich sehen lassen konnte, eine Skizze, die Form besaß; ein paar tüchtige Männer, hier ein Volksschullehrer, da ein Maler, die mir Freunde wurden, boten mir mehr als die flachen Salonbekanntschaften, aber die beste Lehrerin war mir doch die Heide. Ich durchstreifte sie, die Büchse über das Kreuz geschlagen, nach allen Richtungen, wohnte Wochen in der Jagdbude, lebte Monate unter Bauern, und wenn ich wieder im Stadttrubel war, formte sich, was mir der Wind, der über der Heide ging, erzählte, zu fester Gestalt.« – So wurde Löns der Dichter der Heide.
Es ging ihm dabei in seinen Heideerzählungen weniger um große Abenteuer oder um spannungsreiche Jagdgeschichten als vielmehr darum, den Zauber der Landschaft festzuhalten. Das erfolgte durch eine präzise Schilderung der Heidenatur mit allem Leben darin und dem Wechsel von Wetter, Tages- und Jahreszeit. Eine ganz ungewöhnliche Vertrautheit mit der Natur der Heide und aller Kreatur offenbart sich darin. Nicht ohne Grund nannte Ernst Jünger (➞ Wilflingen) Hermann Löns seinen »Augenöffner«. Löns war auch einer der ersten, der das Jagen von dem Nachgeschmack einer reinen Schießerei befreite, indem er den Gedanken einbrachte, daß der Jäger zuerst ein Heger und Pfleger von Natur und Kreatur zu sein habe. – Die Gebeine Hermann Löns’, der 1914 in Frankreich als Kriegsfreiwilliger den Soldatentod starb, wurden am 2. August 1935, dem Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges, unter einem mächtigen Findling in der Heide bei Walsrode beigesetzt.
Die Heide ist beliebt bei den Deutschen. Über vier Millionen Menschen besuchen jährlich die einst so menschenleere und abgeschiedene Heide. Die Heide erfreut sich überdies einer besonderen Beliebtheit bei den Rechten. Was mögen die Gründe dafür sein? Da ist zunächst einmal Hermann Löns, der von der politischen Linken gern als trivialer Heimatdichter diffamiert wird. Mit seinem Bekenntnis zur Natur, zur Eigenart, zum ursprünglichen Leben, kann man ihn sicher nicht zu Unrecht als einen Vertreter rechter Naturverankerung bezeichnen, der ganz nebenbei deutlich macht, daß Naturschutz ein genuin rechtes Thema ist und nicht, wie heute oft fälschlich propagiert, ein linkes. Zudem ist der Name Löns auch mit dem Wehrwolf (1910) verbunden, so der Titel seines in der Heide angesiedelten Romans standhafter Heimatverteidigung, nach dem sich von 1923 bis 1933 ein Wehrverband und 1945 versprengt kämpfende Hitlerjungen (Werwolf) benannt haben. Und es ist nicht zuletzt die Heide selbst, zu der der Rechte eine Affinität zu haben scheint: zu ihrer Weite, ihren Gräbern aus grauer Vorzeit oder den alten Bauernhäusern, die noch an das germanische Langhaus erinnern. Möglicherweise sind es das Heidnische an der Heide und ihr mythisch zeitenthobener Charakter, die ihn in den Bann schlagen. Selbst das Millionenheer der Immen (Bienen), von denen die Heidebauern seit alters her Honig gewinnen, läßt die heidnische Vorwelt noch anklingen; denn aus ihm wird noch heute das Rauschgetränk der Germanen hergestellt: der Met.
Literatur
- Hermann Cordes/Thomas Kaiser: Naturschutzgebiet Lüneburger Heide. Geschichte, Ökologie, Naturschutz, Bremen 1997.
- Hermann Knottnerus-Meyer: Der unbekannte Löns, Jena 1928.
- Richard Linde: Die Lüneburger Heide, Bielefeld/Leipzig 1904.
- Rolf Lüer: Geschichte des Naturschutzes in der Lüneburger Heide, Niederhaverbeck 1994.
- Konrad Maier: Die Lüneburger Heide. Kunst und Kultur im ehemaligen Fürstentum Lüneburg, München/Berlin 1978.
Der Artikel wurde von Norbert Borrmann verfaßt.