Saaleck – Burg: Unterschied zwischen den Versionen

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Goebbels, Himmler (➞ ''[[Quedlinburg]]'') und Alfred Rosenberg. Häufige und länger
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weilende Gäste waren Wilhelm Frick,
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Aktuelle Version vom 6. November 2016, 20:19 Uhr

Sachsen-Anhalt, südwestlich von Naumburg (Saale)

»Die Saaleck liegt so traurig
dort oben im oeden Gestein.
Wenn ich sie sehe, so schauert’s´
mir tief in die Seele hinein.«

So düster klingt es in Friedrich Nietzsches (➞ Sils-Maria) Jugendgedicht »Saaleck« (1859). Das Dorf Saaleck wird auch heute noch von der Burg gleichen Namens überragt. Der kleine Ort, mit gerade über 200 Einwohnern, gehört ebenso wie das nahegelegene Bad Kösen seit der Gemeindeneugründung 2010 zur Stadt Naumburg. Der durchschnittlich geschichtskundige Betrachter, der den an landschaftlich herausragender, unmittelbar über der Saale gelegenen Ort durchwandert, wird ihn wahrscheinlich zuerst mit »Burgenromantik « in Verbindung setzen. Dazu bietet nicht nur die Ruine der Burg Saaleck Anlaß, deren ältesten Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen, sondern auch die nur wenige hundert Meter, stromaufwärts der Saale, oberhalb von Bad Kösen gelegene Rudelsburg. Bei dieser Burg, deren Kern ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert stammt, stößt der Besucher zugleich unweigerlich auf die Geschichte der Deutschen Burschenschaften (➞ Wartburg).

1848 trafen sich hier 500 Corpsstudenten, um die Gründung eines gemeinsamen Dachverbandes in die Wege zu leiten. Seit 1849 tagt – mit Unterbrechungen während der Ära des Dritten Reiches und der DDR – dieser älteste Dachverband deutscher Studentenverbindungen in Kösen unter dem Namen Kösener Senioren- Convents-Verband (KSCV). Die Rudelsburg dient ihm sowohl für Arbeitssitzungen als auch Festveranstaltungen. Im 19. Jahrhundert erfolgte ein Teilwiederaufbau der Burg. 1863 schrieb der Dichter, Reiseschriftsteller und Kulturhistoriker Hermann Allmers das Studentenlied »Dort Saaleck, hier Rudelsburg«. Schon 1826 hatte der damalige Berliner Student und spätere bekannte Kunsthistoriker und Historiker Franz Kugler auf der Rudelsburg das berühmte Lied »An der Saale hellem Strande« gedichtet. Der erste Kongreß des KSCV nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1995 statt, seitdem ist die Rudelsburg wieder fester Veranstaltungsort der Burschenschaftler.

Nordöstlich der Rudelsburg, in Richtung Bad Kösen, hat der KSCV vier Denkmäler errichtet: Die Gefallenensäule des KSCV (1872), dessen Oberschaft mitsamt Reichsadler aufgrund fehlender Instandsetzung zu Beginn der 1950er Jahre umstürzte und heute fehlt, einen Kaiser-Wilhelm-Obelisk (1890), ein Bismarck-Denkmal (1895/96), dessen sitzende Bronzefigur des noch jungen Bismarck zu DDR-Zeiten zerstört wurde, aber 2006 in vereinfachter Form wiederhergestellt werden konnte und, als beeindruckenstes, das »Löwen-Denkmal« (1926), ein von Hermann Hösaus geschaffenes Toten-Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder des KSCV. Berücksichtigt man das nahegelegene Schulpforta, die Eckartsburg oder den Naumburger Dom mit seinen Stifterfiguren, so wird einem bewußt, daß Saaleck inmitten einer geschichtsmythisch herausragenden Landschaft liegt.

Kulturpolitische Bedeutung erlangte Saaleck, als sich dort kurz nach 1900 der aus Naumburg stammende Maler, Lebensreformer, Architekt und Publizist Paul Schultze-Naumburg niederließ. Schultze- Naumburg schrieb zu seiner Wahl: »Hier (also in Saaleck) drängen sich die Talränder der Saale zu einer engen Paßstelle zusammen, so daß steilere Abstürze und Höhenwände entstehen als die, die sonst die Ufer des Flusses begleiten. So kommt in die oft so liebliche Saalelandschaft ein Zug von Herbheit und Größe, welche diese Gegend besonders anziehend macht.« Schultze- Naumburg kaufte ein umfangreiches Gelände, zu dem ein eigener Wald gehörte. Das Grundstück liegt unmittelbar über dem Dorf, hoch auf einem Felsen über der Saale, von wo aus der Blick nach allen Richtungen frei ist. Darauf errichtete Schultze- Naumburg ein repräsentatives Wohnhaus, das aber nur den Auftakt zu einer umfangreichen Anlage bildete. Es entstanden Pförtnerei, Gärtnerei, Dienstgebäude, Garagen und nicht zuletzt die Ateliergebäude der »Saalecker Werkstätten«.

Schultze-Naumburg war von seiner Ausbildung Maler. Im Rahmen seiner umfangreichen publizistischen Tätigkeit beschäftigte er sich jedoch immer mehr mit Architekturfragen. Insbesondere seine neunbändigen Kulturarbeiten (1901–17) machten ihn für das breitere Publikum als Architekturexperten bekannt. Schultze- Naumburg wandte sich in seinen Schriften gegen die »Schnörkelarchitektur« der Gründerzeit, aber auch gegen die allgemeine Verhäßlichung infolge der Industrialisierung. Da bis zum Ende der Goethezeit alles Gebaute schön und zweckmäßig war, unabhängig ob Palast oder Hütte, mußte nach Schultze-Naumburg jede Architekturreform dort wieder ansetzen, wo der Faden der traditionellen Überlieferung abgerissen war. In der Praxis beinhaltete das eine Neubelebung von Klassizismus und Heimatstil. Die Saalecker Werkstätten dienten nicht zuletzt dazu, die Richtigkeit von Schultze-Naumburgs Lehre zu veranschaulichen.

Das Unternehmen lief überraschend gut an und machte Schultze-Naumburg zu einem der gefragtesten Architekten in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Bald arbeiteten in Saaleck über 70 Architekten und Bautechniker unter Schultze-Naumburgs Federführung. Tischlerwerkstätten im Umland wurden mit der Möbelproduktion betraut. Nach kurzer Zeit besaßen die Saalecker Werkstätten Zweigniederlassungen in Berlin, Köln und Essen. Insbesondere die Berliner Niederlassung im Tiergartenviertel entwickelte sich zu einem umfangreichen Kunstgewerbehaus mit drei Geschossen und mit insgesamt 37 Schauräumen.

Saaleck war aber nicht nur Wohnsitz Schultze-Naumburgs und Sitz der Saalecker Werkstätten. Schultze-Naumburg liebte es, Freunde und Bekannte um sich zu haben. Saaleck wurde somit auch Treffpunkt, und das große, herrschaftliche Anwesen mit seinen vielen Nebengebäuden, mit Garten und Park, bot Gästen ausreichend Platz. Unter seinen Gästen waren etwa die Architekten Paul Bonatz, Otto Bartning, Werner March oder Paul Schmitthenner, der Heimatschützer Ernst Rudorff, die bildenden Künstler Ludwig Bartning, Hermann Obrist, Raffael Schuster-Woldan oder Ludwig von Hofmann, die Schriftsteller Börries von Münchhausen, Werner Hegemann, Ludwig Finckh, Wilhelm von Scholz oder Hans Heyck. Eduard Stucken schrieb in Saaleck seinen Welterfolg Die weißen Götter (4 Bde., 1918–22). In Saaleck wurde 1928 auch die konservative Architektenvereinigung »Der Block« gegründet, die ein Gegengewicht zu der Architektenvereinigung der Moderne, »Der Ring«, bilden sollte.

Im Zuge von Schultze-Naumburgs zunehmender Politisierung wurde Saaleck ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre Versammlungsort von Vertretern der völkischen Bewegung und führender Nationalsozialisten, dem sogenannten »Saalecker Kreis«. Lediglich auf »Stippvisite« kamen Hitler (➞ München: Feldherrnhalle), Göring, Goebbels, Himmler (➞ Quedlinburg) und Alfred Rosenberg. Häufige und länger weilende Gäste waren Wilhelm Frick, Richard Walther Darré, Hans F. K. Günther, Hanno Konopacki-Konopath, Schriftleiter von Die Sonne. Monatsschrift für nordische Weltanschauung und Lebensgestaltung, und Hans Severus Ziegler, Generalintendant des Weimarer Nationaltheaters. Nach dem großen Erfolg der NSDAP bei den Landtagswahlen in Thüringen wurde Frick 1930 zum Innen- und Bildungsminister ernannt. In dieser Position sorgte er dafür, daß Schultze-Naumburg zum Direktor der Weimarer Kunsthochschule berufen wurde.

1930 mußten die Saalecker Werkstätten infolge der Weltwirtschaftskrise aufgelöst werden. Drei Jahre später gab Schultze- Naumburg, wegen seiner Direktion in Weimar, aber auch weil ihn das große Anwesen finanziell belastete, Saaleck auf. Zur DDR-Zeit befand sich ein Altersheim auf dem Gelände. Nach der Wende wurde das Haupthaus zunächst von der »Öko Werkstatt An der Finne e.V.« und später von der »Stiftung Saalecker Werkstätten« für kulturelle Veranstaltungen genutzt. 2008 folgte die Auflösung der Stiftung. Das Anwesen fand einen privaten Käufer, wird von diesem aber nicht bewohnt.

Unmittelbar über dem einstigen Anwesen Schultze-Naumburgs liegt die Burg Saaleck. 1912 oder 1915, hier variieren die Angaben, bezog der Jurist, Dichter und Urkundenfälscher Hans Wilhelm Stein, der sich nach seinem Wohnort Stein-Saaleck nannte und sich auch gerne als »Burgherr auf Saaleck« titulieren ließ, das ruinöse Gemäuer. Unter der Leitung des Architekten August Pfisterer, Bürochef von Schultze-Naumburgs Saalecker Werkstätten, baute Stein-Saaleck, soweit seine finanziellen Mittel dazu ausreichten, Teile der Burg wieder auf. Trotz dieser Zusammenarbeit und der engen Nachbarschaft lassen sich aber keine persönlichen Beziehungen zwischen Stein-Saaleck und Schultze-Naumburg nachweisen.

Der »Burgherr auf Saaleck« wäre heute sicherlich längst vergessen, wenn sich nicht die beiden Attentäter des Reichsaußenministers Walther Rathenau, Hermann Fischer und Erwin Kern, auf Burg Saaleck versteckt hätten. Als die Polizei am 17. Juli 1922 die Burg stürmte, starb Kern durch Kopfschuß, woraufhin Fischer Selbstmord beging. Stein-Saaleck, der zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Burg war, machte vor Gericht geltend, daß sich die Attentäter illegal Zutritt zur Burg verschafft hätten. Eine Lüge, mit der er allerdings vor Gericht durchkam. Nach 1933 jedoch pflegte Stein-Saaleck sich mit seiner Helferrolle bei der fehlgeschlagenen Flucht der Rathenau- Attentäter zu brüsten. Bereits in seiner 1927 erschienenen epischen Dichtung, Die Geister der Burg Saaleck, hatte er den vermeintlich deutschen Geist beschworen, der in der Burg Saaleck seit den Tagen des sagenhaften Gründers der Burg, dem Frankenkaiser Karl dem Großen, bis zu den zwei Rathenau-Attentätern seinen Platz gefunden habe. Sich selbst sah Stein-Saaleck in der Rolle des getreuen Hüters dieses »steinernen« nationalen Vermächtnisses.

Fischer und Kern wurden auf dem Saalecker Friedhof beigesetzt. 1933 stiftete Adolf Hitler einen neuen Grabstein. Nach 1945 wurde die Inschrift des Grabsteins sowie der auf dem Grabstein befindliche Stahlhelm samt Hakenkreuz und Eichenlaub entfernt. Der Grabstein selbst blieb während der DDR-Ära unangetastet. Erst nach der Wende, im Jahr 2000, wurde er auf Betreiben der ortsansässigen Pastorin und mit tatkräftiger Unterstützung einer Bundeswehreinheit entfernt. Der »Antifaschismus« war fester Bestandteil der DDR-Staatsideologie – aber offensichtlich war er weniger unduldsam-ausmerzend als derjenige der Bundesrepublik.

Literatur

  • Norbert Borrmann: Paul Schultze-Naumburg 1869–1949. Maler, Publizist, Architekt. Vom Kulturreformer der Jahrhundertwende zum Kulturpolitiker im Dritten Reich, Essen 1989
  • Heimatbund Thüringen e. V./Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V. (Hrsg.): Deutsche Erinnerungslandschaften: Rudelsburg-Saaleck-Kyffhäuser, Halle 2004.
  • Günter Neliba: Wilhelm Frick und Thüringen als Experimentierfeld für die nationalsozialistische Machtergreifung, in: Detlev Heiden/Gunther Mai (Hrsg.): Thüringen auf dem Weg ins »Dritte Reich«, Erfurt 1995.
  • Martin Sabrow: Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar, München 1994.
Der Artikel wurde von Norbert Borrmann verfaßt.