Das Buch der Laster: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 9. Oktober 2017, 13:50 Uhr
- Das Buch der Laster.
- Wolfgang Sofsky, München: C. H. Beck 2009.
Der Soziologe Wolfgang Sofsky ist gegenwärtig einer der schärfsten Kritiker der romantischen Vorstellung vom Menschen als Wesen, das von Natur aus gut bzw. wenigstens zum Guten hin zu bekehren ist. Dagegen konzentriert sich Sofsky auf die Schattenseiten der menschlichen Natur. Im Gegensatz zum Traktat über die Gewalt (1996) widmet sich Sofsky in seinem bislang letzten Buch nicht nur einem Laster, sondern einem ganzen Katalog.
Die sieben Hauptlaster (oftmals auch unter der Bezeichnung »sieben Todsünden « zu finden) erweitert Sofsky auf achtzehn Laster, die sehr unterschiedlich sind. So reicht das Spektrum von der Gleichgültigkeit über die Torheit und den Hochmut bis hin zur Grausamkeit. Das Maß, an dem Sofsky die Lasterhaftigkeit mißt, ist nicht das gottgefällige Leben, wie bei der Sünde, sondern der Mensch – das Ich – und der andere Mensch und damit die Gemeinschaft. Jede dieser Eigenschaften ist Ursache für die eigene Unfreiheit (man leidet an sich selbst oder den anderen) oder die Zerrüttung der gesellschaftlichen Norm. Die Laster grenzt Sofsky dabei gegen andere, läßliche Unsitten ab, so beispielsweise den Hochmut gegen Prahlerei und Selbstgefälligkeit.
Sofskys Meisterschaft besteht darin, die einzelnen negativen Eigenschaften in ihrer Alltäglichkeit zu schildern, um so zu zeigen, daß es keiner besonders ausgeprägten Bösartigkeit bedarf, um ein schlechter Mensch zu sein. Es ist weniger »das Böse« oder der gezielte Regelverstoß, der die Ordnung zum Einsturz bringt, als die ganz normalen und weitverbreiteten Laster und Unsitten, denen man oft auf den ersten Blick nicht ansieht, welche Folgen sich aus ihnen ergeben können. Alltäglich sind nicht die Extreme, sondern die Anfälligkeit für das moralische Versacken überhaupt.
»Die moralische Verbesserung des Gattungswesens ist ausgeblieben. Die Hoffnung auf die Vervollkommnung des Menschengeschlechts, die einst zu den Grundpfeilern der modernen Ideologie gehörte, hat sich nicht erfüllt.«
Sofsky will mit seiner impliziten »Kritik der Laster« die Verwahrlosung und den Stumpfsinn aufhalten, ohne ihm ein positives Gegenprogramm entgegenzustellen – einfach aus der Erwägung heraus, daß die Natur des Menschen zu mildern, aber nicht zu ändern ist. Diese Radikalität der Auffassung vom Wesen des Menschen behindert zunehmend auch die Rezeption seiner Bücher. Konnte Sofsky mit früheren Büchern noch Debatten auslösen, so gelang ihm das mit dem Buch der Laster nicht mehr.
Literatur
- Erik Lehnert: Autorenportrait Wolfgang Sofsky, in: Sezession (2009), Heft 29.
Der Artikel wurde von Erik Lehnert verfaßt.