Verschwörung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr

Verschwörung ist eine allgemein übliche Praxis im Rahmen von Täuschungsstrategien privater oder politischer Natur. Die Verschwörung kann dabei eher defensive oder eher offensive Zwecke verfolgen. Insofern ist die Geschichte auch eine Aneinanderreihung von Verschwörung zu dem Zweck, die eigene Gruppe zu schützen, einen Gegner zu überlisten, ihm die Macht zu nehmen oder das Leben oder beides. In diesem Sinn haben sich Jakob und seine Mutter gegen Esau und seinen Vater verschworen, die Senatoren gegen Cäsar, Katharina von Medici und die Liga gegen Admiral de Coligny und die Hugenotten, die Dekabristen gegen den Zaren und die Männer des 20. Juli 1944 gegen Hitler. An dieser Reihung wird schon deutlich, daß über Verschwörung im Laufe der Geschichte sehr unterschiedliche moralische Urteile gefällt wurden, was ganz ähnlich für den Verrat zutrifft, der zwangsläufig mit der Verschwörung zusammenhängt.

»Es gibt seit über einer Generation ein internationales anglophiles Netzwerk, das bis zu einem gewissen Grad in der Art operiert, wie es die extreme Rechte von den Kommunisten glaubt.«

Carroll Quigley

Die Ursachen dafür sind hier ohne Belang. Wichtig ist aber der Hinweis darauf, daß jeder Machthaber darauf zu achten hat, gegen ihn gerichtete Verschwörung frühzeitig zu entdecken oder schon im Keim zu ersticken. Für die exemplarische Bestrafung von Verschwörern gibt es zahllose Beispiele. Das zeigt auch, daß die Verschwörung im allgemeinen eine Waffe der Schwächeren ist, die es sich nicht erlauben können, ihre feindliche Absicht offen zu zeigen. Das erklärt, weshalb die »Ewige Linke« (Ernst Nolte) regelmäßig zur Verschwörung als Mittel der Wahl gegriffen hat und teilweise langfristige Vorbereitungen für große Konspirationen traf. Das gilt vor allem für die Phase ihres Aufstiegs im 18. Jahrhundert und die Bildung aller möglichen Geheimgesellschaften, die nicht nur um der Verfolgung durch die Obrigkeit zu entgehen, verschwörerisch arbeiteten, sondern auch, um ihren eigentlichen Zielen näher zu kommen. Die Freimaurerei war in dem Zusammenhang eine Größe von schwer überschätzbarem Einfluß.

»Nicht zu vergessen ist auch die schlichte, jedoch nur zu oft ignorierte Tatsache, daß alle Geheimbünde, von denen wir etwas wissen, nur relative Geheimbünde sind. Wie viele Gruppen mag es geben, von denen wir überhaupt nicht das geringste erfahren. … Umgekehrt weisen aber sämtliche noch so offenkundige Verhältnisse und Einrichtungen – von einer notorischen Freundschaft über einen parlamentarischen Ausschuß bis hin zu den Funktionärskadern von Gewerkschaften und Großbetrieben – allemal auch eine »esoterische« Dimension, einen Zug ins Geheimbündische auf. Andernfalls wären sie schlechthin lebensunfähig. Leben gedeiht nie in totaler Transparenz.«

Gerd-Klaus Kaltenbrunner

Der hatte allerdings zur Folge, daß nach dem Sieg der revolutionären Kräfte die ­gegenrevolutionären den Umsturz als Ergebnis einer totalen Verschwörung interpretierten, an der neben den bekannten und unbekannten Geheim­gesellschaften alle auf Emanzipation drängenden Gruppen – in Frankreich etwa Protestanten und Juden – beteiligt waren. Selbstverständlich hatte diese Vorstellung einen gewissen rationalen Kern, tendierte aber naturgemäß zu immer weitergehenden, durch die Tatsachen keinesfalls gedeckten Annahmen über Charakter, Ausmaß und Wirkung dieser Konspiration. Infolgedessen entstand eine breite Literatur, die der Aufdeckung der Verschwörung dienen sollte, es gab aber auch Versuche, etwa durch »gegenmaurerische« Organisationen, sich der Mittel des Feindes zu bedienen und diese umzukehren. Die weitere Folge revolutionärer Erhebungen bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab der Vorstellung von einer totalen Verschwörung immer neue Nahrung, bis hin zu dem ­antikommunistischen Feldzug McCarthys, wenngleich derartige Konzepte allmählich an Einfluß verloren.

Es darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, daß die Linke die Annahme der Verschwörung teilweise durch ihre Vorstellung von der Bedeutung der Klassenzugehörigkeit kompensiert, teilweise aber ihre eigenen Leitideen mit der Vermutung von Verschwörung der Kontrahenten – vor allem im eigenen Lager – ergänzte. Die sektiererischen Spaltungen innerhalb der sozialistischen und kommunistischen Bewegung rühren ganz wesentlich von einer Verschwörungsfurcht her.

Literatur

  • Johannes Rogalla von Bieberstein: Der Mythos von der Verschwörung [1976], zuletzt Wiesbaden 2008;
  • ders.: »Jüdischer Bolschewismus«. Mythos und Realität [2002], zuletzt Graz 2009;
  • Lorenz Jäger: Hinter dem Großen Orient. Freimaurerei und Revolutionsbewegungen, Wien und Leipzig 2009;
  • Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Geheimgesellschaften und der Mythos der Weltverschwörung, Herderbücherei Initiative, Bd 69, Freiburg i.Br. 1987;
  • Carroll Quigley: Katastrophe und Hoffnung [1966], zuletzt Basel 2007.