Umwelt

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Umwelt bezeichnet – nach der ursprünglichen Definition des Begriffs durch den Biologen J. von Uexküll – die Umgebung, die für ein Tier oder eine Pflanze die lebensnotwendigen Bedingungen bereithält. Men­schen haben deshalb im strengen Sinn keine Umwelt, sie sind »weltoffen« (Max Scheler), da es ihnen grundsätzlich möglich ist, ihre Welt so zu verändern, daß sie auch dann lebensdienlich bleibt oder unschädlich gemacht wird, wenn das die natürlichen Umstände eigentlich nicht erlauben.

»Bedenken wir, daß die Technik die frei lebenden Tiergeschlechter größtenteils schon hingeschlachtet hat und in der Folge gänzlich hinschlachten wird, … die Urwälder in Zeitungspapier verwandelt und mit Giftgasen, Elektrizität und Sprengstoffen die Mittel bereitstellt, um auch Menschen in kürzester Zeit millionenweis umzubringen, während es ihr niemals gelang, Leben zu erzeugen, so werden wir die scheinbare Angemessenheit ihrer Voraussetzungen an die Wirklichkeit für das erkennen, was sie ist: für ein ungemein geistvolles Werkzeug der Zerstörung.«

Ludwig Klages

Diese Macht des Menschen über die Natur wurde im Laufe eines langen historischen Prozesses erworben und führte von einer Situation des Ausgeliefertseins in der Phase der Wildbeutergesellschaften zu einer ersten Epoche, in der ein stärkerer Durchgriff auf die Umwelt möglich wurde, nachdem Seßhaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht eingeführt waren. Dieser Vorgang, der gemeinhin als »Neolithische Revolution« bezeichnet wird, bedeutete die »erste absolute Kulturschwelle« (Arnold Gehlen), das heißt, daß grundsätzlich die gesamte Menschheit daran teilnahm. Erst mit großem zeitlichem Abstand – im 19. Jahrhundert – wurde von Europa ausgehend eine zweite absolute Kulturschwelle erreicht und mit Hilfe der Industriellen Revolution überschritten.

Die durch die moderne Technik gegebenen Möglichkeiten zur Emanzipation von der Umwelt haben allerdings auch frühzeitig Sorgen über die Folgen für die Natur insgesamt aufkommen lassen, so daß neben den Heimat- und Tier- auch Naturschutzbewegungen entstanden. Deren Anliegen war im Grunde genuin konservativ, weshalb sie bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine entsprechende weltanschauliche Prägung zeigten, während Sozialisten und Liberale mehr oder weniger unkritisch auf die positiven Wirkungen des Fortschritts setzten. Eine letzte, in ihrer Zuspitzung und radikalen Skepsis aber eher untypische Darstellung des konservativen Vorbehalts zugunsten von Umwelt und »Lebensqualität« stellten die Schriften Friedrich Georg Jüngers dar.

»… die technischen Siege haben das Gefüge der Natur gesprengt. Der Titanismus mündet jetzt unmittelbar ins Verhängnis. Die Tragik unserer gegenwärtigen Endzeit liegt darin, daß gerade die stolzen Triumphe und Siege das unvermeidliche Ende der Menschenzeit ankündigen.«

Die Veränderung der ideologischen Zuord­­nung hing in erster Linie mit dem »Öko-Schock« der 1970er Jahre zusammen, der zur Entstehung einer breiten linken Bewegung führte, die einerseits das Erbe der Achtundsechziger, andererseits neue Erkenntnisse über die Folgen von Umweltverschmutzung in ihre Weltanschauung aufnahm. Die Versuche einiger Konservativer, sich dieser Bewegung anzuschließen oder sie sogar im Sinne einer argumentativ schlüssigen, das heißt konservativen, Vorstellung neu auszurichten (Herbert Gruhl), scheiterten oder führten zur Marginalisierung. Das hatte auch damit zu tun, daß die von dieser Seite vorgetragenen religiösen (die Umwelt als Schöpfung Gottes), holistischen (die Umwelt als Gesamtordnung, in die sich der Mensch einfügen muß) oder praktischen Gründe (die Umwelt als notwendige Lebensgrundlage auch des Menschen) nicht verfingen gegenüber einem systemoppositionellen Ansatz, der im Umweltschutz vor allem eine Mobilisierungschance sah, um größere Gruppen der Bevölkerung für Ziele einzunehmen, die sie politisch sonst nicht unterstützt hätten.

Mit der Etablierung der »Grünen« als Teil des Parteienspektrums ist diesem Ansatz zwar etwas von seiner Wirkmächtigkeit genommen, gleichzeitig aber auch das Feld einer überzeugenden Umweltpolitik verwaist.

Literatur