Metapolitik

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (1 Version importiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Metapolitik ist ein relativ selten gebrauchter Begriff, der seinem ursprünglichen Sinn nach soviel wie »Staatsphilosophie« bedeutete, aber schon früh im Sinn einer »politischen Metaphysik« (Joseph de Maistre), das heißt als Fest­legung von politischen Prinzipien aufgefaßt wurde, aus denen politische Entscheidungen und Zielsetzungen abgeleitet werden können. Dem lag die Annahme zugrunde, daß Politik weder eine Summe opportunistischer Handlungen noch ein vollständig theoretisch erfaßbares und planbares Ganzes ist.

Zuerst hat Joseph de Maistre den Vorschlag gemacht, die Ideen von 1789, die letztlich auf der revolutionären Umsetzung linker Metapolitik beruhten, die alle Leitbegriffe aus der Aufklärung bezogen hatten, mit einer rechten Metapolitik zu bekämpfen, die sich zum Zweck der Gegenrevolution eben nicht nur auf Tradition und Offenbarung berufen konnte, sondern ihrerseits aus der Gegenaufklärung Argumente beziehen sollte, die sich im Meinungsstreit vortragen ließen.

Ohne daß damit eine Theorie der Metapolitik entstanden wäre, wurde doch ein Muster vorgegeben, dem die intellektuelle Rechte immer dann gefolgt ist, wenn sie einen entscheidenden Erfolg der Linken nicht nur auf der Machtebene, sondern auch auf der geistigen Ebene bekämpfen wollte. In diesen Zusammenhang gehört deshalb die »Konservative Revolution« der Zwischenkriegszeit ebenso wie der Plan einer »Kulturrevolution von rechts«, die nach ’68 eine wichtige Rolle spielte.

Ein ausdrücklicher Bezug auf den Begriff Metapolitik fand sich vor allem in der französischen Nouvelle Droite – »Neuen Rechten«. Hier gab es den Versuch, nicht nur eine möglichst vollständige und konsistente Gegenideologie zum Neo-Marxismus zu entwerfen, sondern auch der Linken einen ihrer maßgeblichen Theoretiker zu nehmen, den Italiener Antonio Gramsci. Gramsci hatte in Ergänzung, aber auch im Widerspruch zum Leninismus die These entwickelt, daß die Ideologie neben der materiellen Basis eine gewisse Selbständigkeit habe, daß in modernen Gesellschaften die Herrschaft über Begriffe und Leitvorstellungen neben der Herrschaft über die klassischen Machtmittel eine entscheidende Rolle spiele und daß es für jede revolutionäre Gruppe unabdingbar sei, die Macht über Begriffe und Leitvorstellungen zu gewinnen – die »kulturelle Hegemonie«, wie es bei Gramsci heißt –, bevor sie nach der politischen Macht greife.

»Es kann und es muß eine »politische Hegemonie« auch vor dem Regierungsantritt geben, und man darf nicht nur auf die durch ihn verliehene Macht und die materielle Stärke zählen, um die politische Führung oder Hegemonie auszuüben.«

Antonio Gramsci

Dementsprechend versuchte die Nouvelle Droite eine eigene Terminologie zu entwickeln, die auf eine – wissenschaftlich fundierte – Theorie verwies, und gleichzeitig Zugriff auf die modernen Massenmedien zu gewinnen, um sich der entscheidenden Waffen im »Kulturkrieg« zu versichern. Das Ziel war, jene »implizite Ideologie« (Alain de Benoist) zu schaffen, die die üblichen Auffassungen, im Grunde sogar die »Mentalität« der Menschen, bestimmt und sie unreflektiert und selbstverständlich zu Urteilen und Entscheidungen kommen läßt. Obwohl dieser Ansatz gescheitert ist, bleibt unbestreitbar, daß nur die »Besetzung« von Begriffen und der Zugriff auf die Meinungsträger in einer modernen Gesellschaft erlauben, jenes Gesamt an Vorstellungen zu beeinflussen, das der Mehrheit als selbstverständlich gilt und insofern einen eminenten Einfluß auf die Politik nimmt.

Literatur

  • Alain de Benoist: Kulturrevolution von rechts, edition d, Bd 6, Krefeld 1985.
  • Joseph de Maistre: Betrachtungen über Frankreich [1796/1924], zuletzt Wien und Leipzig 1991.