Legitimität

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Legitimität ist einer der ältesten konservativen Kampfbegriffe überhaupt. In der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution forderte die Rechte die Anerkennung oder Wiedereinsetzung der »legitimen«, also »rechtmäßigen« Dynastien, das heißt derjenigen, die vor 1789 durch Abkunft und Gottes Gnade in ihrem Amt waren. Allerdings sah man sich sogar nach dem militärischen Sieg von 1815 kaum in der Lage, dieses Prinzip durchgehend zu verwirklichen, und diese Inkonsequenz hat an sich schon der Vorstellung dynastischer Legitimität einen irreparablen Schaden zugefügt. Das Problem bestand das ganze 19. Jahrhundert hindurch, und in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war die Idee weitgehend abgeblaßt, was auch mit dem Schwinden des »Legitimitätsglaubens« (Max Weber) überhaupt unter dem Druck des Modernisierungsprozesses zu tun hatte.

»Eine Verfassung ist legitim d. h. nicht nur als faktischer Zustand, sondern auch als rechtmäßige Ordnung anerkannt, wenn die Macht und Autorität der verfassunggebenden Gewalt, auf deren Entscheidung sie beruht, anerkannt ist.«

Carl Schmitt

Der schwächte naturgemäß alle »religionsnahen« (Helmut Schelsky) Formen legitimer Herrschaft, die Max Weber unterschieden hatte, das heißt in erster Linie die traditionale und die charismatische, während die rationale dieser Grundlage prinzipiell entbehren zu können schien. Ihre L. müßte eigentlich dauernd durch das angemessene Funktionieren des Systems erneuert werden. Diese Anschauung hat sich aber als fragwürdig erwiesen, zumal die Krise der parlamentarischen Demokratie in der Zwischenkriegszeit mit dem Aufstieg totalitärer Bewegungen verbunden war, die nicht nur deren Legitimität in Frage stellten, sondern darüber hinaus eine neue Art von Legitimitätsglauben stifteten, der in vieler Hinsicht geeigneter war, eine Massenanhängerschaft zu gewinnen.

»Die sich verschärfenden prinzipiellen Probleme einer demokratisch organisierten Herrschaft sind die Ursache für Krisensymptome im politischen System, die unter der Rubrik Legitimität diskutiert werden. Bürger, die den politischen Betrieb nicht mehr hinreichend durchschauen, identifizieren sich nicht mit ihren Repräsentanten und ihrer ideellen Gesamtgemeinschaft, sie tragen deshalb auch weniger bereitwillig Lasten und Opfer, entfernen sich von der Vorstellung der res publica als Sache aller.«

Udo di Fabio

In Reaktion darauf wurde nach 1945 versucht, die Vorstellung von der L. der westlichen Demokratie auch dadurch zu verankern, daß man neben deren Funktionstüchtigkeit (Leistung) eine Erziehung zum »demokratischen Lebensstil« (John Dewey) stellte, die sich propagandistischer, pädagogischer, aber auch allgemeiner Zwangsmittel bedienen kann, um die Überzeugung von dessen Vorzüglichkeit sicherzustellen und auszuweiten. Dabei wird teilweise auf Verfahren zurückgegriffen, die man eigentlich schon überwunden geglaubt hatte, weil sie an die »irrationale« Seite des Menschen appellieren.

Es zeigt sich daran hinreichend deutlich, daß keine Gesellschaft ohne Legitimitätsglauben auszukommen vermag. Das gilt auch für die moderne, die gerade wegen ihrer Komplexität und Größe eines vereinigenden Bandes bedarf, mindestens der stillschweigenden Anerkennung ihres Bestandes durch die vielen, im Ernstfall aber auch der aktiven Stellungnahme.

Literatur

  • Hans Blumenberg: Die Legitimität der Neuzeit [1996], zuletzt Frankfurt a.M. 2007.
  • Helmut Schelsky: Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen [1975], zuletzt München 1977.
  • Carl Schmitt: Verfassungslehre [1928], zuletzt Berlin 2003.