Katechon: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr

Katechon ist ein Begriff aus dem Griechischen, der soviel wie »Aufhalter« bedeutet, gemeint ist unter Bezug auf Paulus in 2. Thessalonicher 2. 6-7 eine Macht, die das Kommen des Antichristen verzögert. Eine Vorstellung, die in der frühen Gemeinde wegen des Ausbleibens der Parusie, das heißt der Wiederkehr Christi, eine gewisse Bedeutung gewann, ihren systematischen Gehalt aber erst im Zusammenhang mit einer christlichen Theologie entfalten konnte, die sich intensiver mit der eigenen Umwelt auseinandersetzen mußte.

»Man muß für jede Epoche der letzten 1948 Jahre den Katechon nennen können. Der Platz war niemals unbesetzt, sonst wären wir nicht mehr vorhanden.«

Carl Schmitt

Dabei kam es zu einer überraschenden Neubewertung des Römischen Reiches, dessen widerchristlicher Charakter für die frühe Gemeinde eindeutig zu sein schien, das aber zunehmend in der Funktion des Katechon gesehen wurde, der Weltende und Weltgericht verzögerte, so daß den Menschen eine Frist blieb, ihr Verhalten doch noch nach den göttlichen Geboten auszurichten.

Das Konzept spielte weiter in Aufnahme der Geschichtstheologie des Augustinus eine gewisse Rolle, nicht zuletzt für das Verständnis der translatio imperii im Mittelalter, hatte aber keine darüber hinausgehende Bedeutung. Eine Wiederbesinnung fand erst statt unter dem Eindruck der gegenrevolutionären politischen Theorie, wie sie im 19. Jahrhundert entstanden war.

»Das Abendland ist christusfeindlich. Das ist die einzigartige Situation unserer Zeit, und es ist echter Verfall. Mitten in der Auflösung alles Bestehenden stehen die christlichen Kirchen als die Hüter des Erbes des Mittelalters und der Reformation, vor allem aber als die Zeugen des Wunders Gottes in Jesus Christus »gestern, heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,8). Neben ihnen aber steht »der Aufhaltende«, d. h. jener Rest an Ordnungsmacht, der sich noch wirksam dem Verfall widersetzt.«

Dietrich Bonhoeffer

Das erklärt jedenfalls das neu erwachende Interesse an dem ganzen Vorstellungszusammenhang nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Damals bildete sich eine »antisäkulare Front« (Wilhelm Stapel), der bemerkenswerterweise sowohl evangelische als auch katholische Christen angehörten, die mit dem Versuch, die Reichsidee wiederzubeleben die Vorstellung verknüpften, daß dem Reich nicht nur eine politische Aufgabe im engeren Sinn übertragen sei, sondern auch die Funktion des Katechon.

Wenn in dem Zusammenhang die Bedeutung Carl Schmitts hervorgehoben wird, so bleibt doch darauf hinzuweisen, daß es die vor allem durch das Luthertum geprägte »Hamburger Schule« (Ernst Jünger) der Konservativen Revolution war, die die Bedeutung des Katechon hervorhob. Eine Denk­richtung, die bis in die Kriegs- (bei Dietrich Bonhoeffer) und in die Nachkriegszeit (bei Hans Freyer in der »haltenden Macht« und bei Helmut Thielicke im Begriff der »Not-« oder »Erhaltungsordnung«) nachwirkte, während Schmitt erst nach 1945 – auch in Uminterpretation der eigenen Ansätze – den Begriff ins Zentrum einiger Überlegungen rückte.

Literatur

  • Dietrich Bonhoeffer: Ethik [1943], zuletzt Gütersloh 2006.
  • Hans Freyer: Theorie des gegenwärtigen Zeitalters [1955], zuletzt Stuttgart 1967.
  • Felix Gross­heutschi: Carl Schmitt und die Lehre vom Katechon, Berlin 1996.
  • Carl Schmitt: Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Ius Publicum Europaeum [1950], zuletzt Berlin 1997.
  • Carl Schmitt: Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, Berlin 1991.
  • Helmut Thielicke: Ethik des Politischen, Tübingen 1958.