Johannes Gross

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Version vom 3. Oktober 2018, 09:51 Uhr von Admin (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „:'''Gross, Johannes,''' :geb. 6. Mai 1932 Neunkhausen, :gest. 29. September 1999 Köln. File:Bahr,Egon Gross,Johannes 1985 Hamburg.jpg|thumb|Egon Bahr und J…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Gross, Johannes,
geb. 6. Mai 1932 Neunkhausen,
gest. 29. September 1999 Köln.
Egon Bahr und Johannes Gross 1985 in Hamburg bei einem Simultanspiel des späteren Schachweltmeisters Garry Kasparov, eine Veranstaltung des Nachrichtenmagazins Der Spiegel.

Johannes Gross stammte aus einer kleinen rheinischen Ortschaft. Er studierte nach dem Abitur Jura und Philosophie, war aber weder an einer akademischen Laufbahn noch am Beruf des Rechtsanwalts interessiert und wandte sich dem Journalismus zu. Er kam früh in die CDU und gründete 1954 mit Rüdiger Altmann die RCDS-Zeitschrift Civis. Beide gaben 1958 ein Buch heraus, das irritierenderweise den Titel der sozialdemokratischen Theoriezeitschrift Die neue Gesellschaft trug. Darin waren verschiedene Essays aus Civis zusammengestellt, die schon etwas ahnen ließen von Gross’ »exzeptioneller Wortmächtigkeit« (Konrad Adam) und darüber hinaus einen eigenen Ton vernehmbar machten: selbstverständlich nicht links, aber auch nicht kaltkriegerisch, weder deutschnational noch adenauerfromm, mit Wohlwollen auf die Bundesrepublik blickend, aber immer zum Spott über das spießige Politikverständnis der Neudeutschen bereit.

Über Altmann wurde Gross auch Carl Schmitt vorgestellt und gehörte schon Ende der fünfziger Jahre zu dessen »Hof« (Dirk van Laak). Was ihn anzog, war die Möglichkeit, von Schmitt für einen kultivierten Zynismus dazuzulernen. Die Wertschätzung des Meisters für den offensichtlich Begabten muß groß gewesen sein und wurde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß Gross seiner liberalen Umdeutung zuneigte, die es ihm einerseits ermöglichte, als Berater von Ludwig Erhard (zusammen mit Altmann) den Begriff der »formierten Gesellschaft« zu lancieren, andererseits den Ruch des »Rechten« stets zu meiden. Entsprechend steil verlief seine Karriere trotz ’68, vom Ressortchef Politik der Deutschen Zeitung über die Leitung der politischen Abteilung des Deutschlandfunks bis zur Chefredaktion des Wirtschaftsmagazins Impulse und zum Vorstandsmitglied bei Gruner + Jahr. Daneben moderierte Gross zwischen 1977 und 1984 die »Bonner Runde« des ZDF. Auf ernsthaften Widerstand traf er eigentlich nur, als er 1983 zusammen mit Peter Scholl-Latour die Chefredaktion des Stern übernehmen sollte und dieser Schritt am Widerstand der Belegschaft gegen den »Rechtsruck« scheiterte.

»Ein Grundelement der Verfassung als Krisensicherungsanlage ist neben der Gewaltenteilung das Mißtrauen gegen das Volk. Die herzliche Abneigung der Parteien, die 1949 schon als Machthaber etabliert, alles Plebiszitäre als gefährlich, ja undemokratisch verabscheuten, könnte durch die sanftmütige Revolution der Ostdeutschen eines Guten belehrt worden sein; doch wer so denkt, der kennt nicht die politische Psychologie. Die Krisensicherungsanlage ist ein Monument positiver Ängstlichkeit und im Ernst nie erprobt worden, weil die Gefahren, mit denen die Verfassungsgeber rechneten, just die nicht waren, die auftreten konnten.«

Zu dem Zeitpunkt hatte Gross unter Konservativen vor allem einen Namen wegen seines im FAZ-Magazin erscheinenden Notizbuchs. Dessen Attraktivität lag nicht nur in der intellektuellen Konterbande, die Gross zu schmuggeln verstand, sondern auch in den glänzenden Aphorismen, die er zu formulieren wußte; Franz Josef Strauß meinte, Gross küsse jedes seiner Worte. Darin lag auch die Feststellung eines besonders hohen Maßes an Eitelkeit eines sehr begabten Mannes, der allerdings früh – in seinen Büchern Die Deutschen (1967) und Absagen an die Zukunft (1970) – hatte erkennen lassen, daß die entscheidenden politischen Fragen erledigt, jedenfalls keine Anstrengung von seiner Seite mehr wert seien. Gross starb überraschend 1999.

Schriften

  • [zusammen mit Rüdiger Altmann] Die neue Gesellschaft, Stuttgart 1958.
  • Die Deutschen, Stuttgart 1967.
  • Absagen an die Zukunft, Frankfurt a. M. 1970.
  • Unsere letzten Jahre, Berlin (West) 1985 [die erste Sammlung seiner Notizen im FAZ-Magazin].
  • Begründung der Berliner Republik, Stuttgart 1995.

Literatur

  • Joachim Fest: Das Pathos des Unzeitgemäßen. Anmerkungen über den Publizisten und Aphoristiker Johannes Gross, Hamburg 2003.


Der Artikel wurde von Karlheinz Weißmann verfaßt.