Friedrich August von Hayek

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Friedrich August von Hayek
Hayek, Friedrich August von,
geb. 8. Mai 1899 Wien,
gest. 23. März 1992 Freiburg im Breisgau.

Hayek wurde als ältester von drei Söhnen in eine naturwissenschaftlich-medizinisch geprägte Familie hineingeboren, die auch dank ihrer Verwandtschaft mit den Wittgensteins fest in der Wiener Gesellschaft um 1900 verankert war. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg studierte er in seiner Vaterstadt Rechtswissenschaft und Nationalökonomie und wurde von der durch Carl Menger begründeten Österreichischen Schule der Nationalökonomie geprägt. Für diese war ein methodologischer Subjektivismus kennzeichnend, der insbesondere in der Grenznutzenlehre zum Ausdruck kam.

Am Vorabend der Weltwirtschaftskrise machte sich Hayek einen Namen als einer der führenden Konjunkturtheoretiker seiner Zeit. Im Unterschied zu Keynes, der eine makroökonomische Krisentheorie vorlegte und zur Überwindung der Krise auf eine staatlich induzierte Steigerung der Gesamtnachfrage setzte, erklärte Hayek die Krise aus den subjektiven Erwartungen dezentraler Preise und sprach sich deshalb dezidiert gegen politisch motivierte Interventionen in das Preissystem und gegen makroökonomische Steuerung aus.

Von 1931 bis 1949 lehrte Hayek als erster Ausländer an der London School of Economics. Dem »Anschluß« seines Heimatlandes an das Deutsche Reich entzog er sich 1938 durch Annahme der britischen Staatsbürgerschaft. Im Gegensatz zur neoklassischen Wirtschaftstheorie sah Hayek nicht in der Knappheit der verfügbaren Güter, sondern in der Verstreutheit des Wissens das eigentliche Koordinationsproblem der Wirtschaft. An der Seite seines Lehrers, Ludwig von Mises, profilierte er sich in den 1930er Jahren als Kritiker des Sozialismus und argumentierte, daß die Wirtschaftsrechnung im Sozialismus daran scheitern müsse, daß sie ohne freie Preise das verstreute Wissen einer Gesellschaft nicht nutzen könne. Überhaupt wandte sich Hayek gegen rationalistische und szientistische Ordnungsvorstellungen, die von der Zentralisierbarkeit des erforderlichen Wissens und von der vollständigen Planbarkeit von Wirtschaft und Gesellschaft ausgingen.

Daß Planwirtschaft und Wohlfahrtsstaat notwendigerweise auch in ein System politischer Unfreiheit führen müßten, war die zentrale These seiner Streitschrift The Road to Serfdom aus dem Jahre 1944, die Hayeks Ruhm unter Liberalen und Totalitarismuskritikern begründete. Im Jahre 1947 wurde er Gründungspräsident der »Mont Pèlerin Society«, in der sich im Laufe der Jahrzehnte nahezu alle wichtigen Repräsentanten der neoliberalen Bewegung versammelten. Seit 1950 lehrte er an der Universität Chicago – allerdings nicht als Ökonom, sondern als Mitglied der Fakultät für »Moral Sciences«. Dort entstand sein 1960 erschienenes Hauptwerk, The Constitution of Liberty, in dem sich Hayek um eine ideenhistorisch fundierte Neuformulierung des klassischen Liberalismus bemühte, eine freiheitliche Verfassungstheorie entwarf und die Grenzen der Tätigkeit eines liberalen Staats absteckte. Nach seinem Wechsel an die Universität Freiburg im Breisgau im Jahre 1962 arbeitete Hayek eine Theorie spontaner Ordnung und kultureller Evolution aus, die vor allem in den Freiburger Studien von 1969 sowie in der zwischen 1973 und 1979 erschienenen Trilogie Law, Legislation and Liberty dargelegt wurde. Anknüpfend an die Rechts- und Moralphilosophie der Schottischen Aufklärung von Hume, Smith und Ferguson, betonte Hayek, daß viele grundlegende Institutionen der menschlichen Zivilisation – z. B. Sprache, Eigentum und Geld – nicht bewußt konstruiert, sondern in einem Prozeß kultureller Evolution allmählich entdeckt und spontan weiterentwickelt worden seien. In Parallelität zu Poppers »offener Gesellschaft « skizzierte Hayek unter wechselnden Begriffen – spontane Ordnung, Nomokratie oder Katallaxie – ein freiheitliches Ordnungsmodell, das durch die Verwendung impliziten und verstreuten Wissens im Wettbewerb und durch die Geltung von allgemeinen Regeln des Rechts komplexer und leistungsfähiger ist als archaische Stammesgesellschaften einerseits und von zentraler Stelle entworfene und konstruierte Organisationen andererseits. Den Sozialismus wies Hayek deshalb als eine atavistische Moralphilosophie zurück, welche die zivilisatorische Bedeutung von Freiheit und Recht ignoriere.

»Daß in die Ordnung der Marktwirtschaft viel mehr Wissen von Tatsachen eingeht als irgendein einzelner Mensch oder selbst irgendeine Organisation wissen kann, ist der entscheidende Grund, weshalb die Marktwirtschaft mehr leistet als irgendeine andere Wirtschaftsform.«

Im Jahre 1974 wurde Hayek, der zwischen 1969 und 1977 in Salzburg lebte und lehrte, mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. In einer Zeit, als der vorherrschende Keynesianismus in vielen westliche Staaten an überbordender Inflation, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Planungsversagen scheiterte, erlebte Hayek dadurch eine unerwartete Renaissance. Er inspirierte vor allem Margaret Thatcher in Großbritannien, aber seine grundlegende Kritik an Sozialismus und Wohlfahrtsstaat wurde auch in Osteuropa von kritischen Ökonomen wie Václav Klaus, Leszek Balcerowicz oder Ivan Mikloš rezipiert, die nach dem Zerfall des Ostblocks für marktwirtschaftliche Reformen in ihren Ländern verantwortlich zeichneten.

Hayek 1981

Hayek grenzte sich zwar zeitlebens vom Konservatismus ab und warf diesem insbesondere Fortschrittsskepsis, Mangel an festen Prinzipien und Anfälligkeit gegenüber kollektivistischem Denken vor. Mit seiner evolutionären, antirationalistischen, antikollektivistischen und antikonstruktivistischen Ordnungstheorie gehört Hayek aber ähnlich wie Montesquieu, Hume, Burke oder Tocqueville zu jenen Denkern, die sowohl von Liberalen als auch von Konservativen beansprucht werden. Vor allem im angelsächsischen Raum berufen sich auch Konservative immer wieder auf ihn – in erster Linie solche, die ihr Denken an Begriffen wie Freiheit, Ordnung, Eigentum, Personalismus und Dezentralität ausrichten und damit auch klassisch-liberale, marktwirtschaftliche Positionen vertreten. Derzeit wird im Zuge der Staatsschuldenkrise vieler westlicher Demokratien die von Hayek in den 1970er Jahren erhobene Forderung nach Aufhebung des staatlichen Geldmonopols und nach Etablierung eines Wettbewerbs der Währungen verstärkt diskutiert.

Schriften

  • Geldtheorie und Konjunkturtheorie, Jena 1929.
  • Preise und Produktion, Wien 1931.
  • The Road to Serfdom, London/Chicago 1944 (dt.: Der Weg zur Knechtschaft).
  • The Sensory Order, London 1952 (dt.: Die sensorische Ordnung).
  • The Counter-Revolution of Science, Glencoe 1952 (dt.: Mißbrauch und Verfall der Vernunft).
  • The Constitution of Liberty (dt.: Die Verfassung der Freiheit), London/Chicago 1960.
  • Freiburger Studien, Tübingen 1969.
  • Law, Legislation and Liberty, 3 Bde., London 1973–1979 (dt.: Recht, Gesetz und Freiheit).
  • Denationalisation of Money, London 1976 (dt.: Entnationalisierung des Geldes).
  • The Fatal Conceit, London 1988 (dt.: Die verhängnisvolle Anmaßung).

Literatur

  • Bruce Caldwell: Hayek’s Challenge. An Intellectual Biography of F. A. Hayek, New York/Houndsmills 2004.
  • Hans Jörg Hennecke: Friedrich August von Hayek zur Einführung, Hamburg ²2010.
  • John C. Wood/Ronald N. Woods (Hrsg.): Friedrich A. Hayek. Critical Assessments, 4 Bde., London/New York 1991.
  • Christoph Zeitler: Spontane Ordnung, Freiheit und Recht, Frankfurt a. M. 1995.
Der Artikel wurde von Hans Jörg Hennecke verfaßt.