Dornach – Goetheanum: Unterschied zwischen den Versionen

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* Wolfgang Pehnt: ''Rudolf Steiner – Goetheanum, Dornach'', Berlin 1991.
 
* Wolfgang Pehnt: ''Rudolf Steiner – Goetheanum, Dornach'', Berlin 1991.
 
* Sonja Ohlenschläger: ''Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk'', Petersberg 1999.
 
* Sonja Ohlenschläger: ''Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk'', Petersberg 1999.
* Rudolf Steiner: ''Wege zu einem neuen Baustil. Fünf Vorträge, gehalten während der Arbeit am Goetheanum 1914'', Dornach 1926 * * Helmut Zander: ''Rudolf Steiner. Die Biographie'', München 2011.
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* Rudolf Steiner: ''Wege zu einem neuen Baustil. Fünf Vorträge, gehalten während der Arbeit am Goetheanum 1914'', Dornach 1926.
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* Helmut Zander: ''Rudolf Steiner. Die Biographie'', München 2011.
  
 
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Aktuelle Version vom 22. September 2016, 16:51 Uhr

Der kleine Ort Dornach tritt zweimal aus dem Dunkel der Geschichte heraus. Am 22. Juli 1499 fand hier die letzte Schlacht des Schwabenkrieges, der zwischen dem Schwäbischen Bund und den Eidgenossen ausgefochten wurde, statt. Der Sieg der Eidgenossen führte zum Frieden von Basel und besiegelte die endgültige Ablösung der Schweiz vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Etwa 400 Jahre später führte ein Zufall dazu, daß die Anthroposophische Gesellschaft in Dornach, auf dem Schlachthügel des Schwabenkrieges, ihr Zentrum errichtete.

Seit 1907 gab es bei den Anthroposophen Bestrebungen, einen Ort zu finden, an dem sie dauerhaft ein Gebäude errichten konnten, das ihren Anforderungen genügte. Da sich im Münchner Raum die meisten Aktivitäten abspielten, versuchte man dort Land zu erwerben und zu bauen, was jedoch an den baubehördlichen Auflagen scheiterte. 1912 hatte Rudolf Steiner in Basel einen wohlhabenden Anthroposophen kennengelernt, der das Grundstück in Dornach besaß und zur Verfügung stellen wollte. Nachdem das Gelände, insbesondere die herausgehobene Position des Hügels, für gut befunden worden war, fand die Grundsteinlegung am 20. September 1913 statt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Anthroposophie bereits eine lange Geschichte hinter sich. Sie war zunächst eine von unzähligen esoterischen Glaubenslehren, die in Deutschland im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden. Ursächlich dafür war ein religiöses Bedürfnis vieler Menschen, die angesichts der naturwissenschaftlichen Fortschritte die Sinnfrage neu stellten und im Kirchenglauben keine Antwort mehr fanden. Die Anthroposophie hat ihre organisatorischen Wurzeln in der Theosophischen Gesellschaft von Helena Blavatsky, die 1875 in New York gegründet wurde. Da sich die Theosophie bis zur Jahrhundertwende immer weiter dem Buddhismus und Hinduismus zuwandte, gab es verschiedene Abspaltungen.

Die bis heute erfolgreichste davon wurde von Rudolf Steiner (1861–1925) inspiriert und bald auch geführt. Steiner widmete sich nach einem umfangreichen Studium der Goethe-Forschung, insbesondere der Edition von dessen naturwissenschaftlichen Schriften. Goethe wurde auf diesem Weg zu seinem weltanschaulichen Vordenker und Ausgangspunkt der Ausarbeitung eines ausdifferenzierten Lehrgebäudes der Anthroposophie. Dabei ließ Steiner kaum eine Sphäre der Kultur aus, war als Propagandist seiner Ideen ungeheuer produktiv (es gibt eine auf 350 Bände angelegte Gesamtausgabe von Steiners Werken) und konnte eine treue und große Jüngerschaft um sich versammeln. Die bekanntesten anthroposophischen Projekte sind die mittlerweile weltweit zu findenden Waldorfschulen oder der auf seine Lehre zurückgehende biodynamische Landbau (»Demeter«). Steiner verstand Anthroposophie als einen »Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte«. Im Grunde ging es um die Anleitung des Menschen, einer Dreiheit von Körper, Seele und Geist, um ihn zu einem Erkenntnisprozeß zu führen, der es ihm ermöglichen sollte, den objektiven Gehalt der Welt wahrzunehmen. Dazu nahm Steiner auf so ziemlich jede geistige Hervorbringung der Weltgeschichte Bezug.

Obwohl Steiner dies in unzähligen Vorträgen, die meistens auch als Broschüren vertrieben wurden (und noch heute werden), öffentlich propagierte (zu seinen Vorträgen kamen oft Tausende von Zuhörern), blieb doch der Eindruck bestehen, daß es sich bei der Anthroposophie um eine esoterische Geheimlehre handelte, an die man glauben mußte, wenn man den Erkenntnisweg gehen wollte. Dementsprechend groß waren die Widerstände gegen Steiner und seine Anhänger. Nicht zuletzt daraus erklären sich auch die Probleme bei der Standortsuche für das Zentrum seiner Bewegung und daß die Wahl zunächst eher notgedrungen auf Dornach fiel.

Dem ersten Goetheanum war keine lange Existenz beschieden. Der aus Holz gefertigte Bau mit zwei ineinandergreifenden Doppelhalbkugeln als Dach wurde am 26. September 1920, sieben Jahre nach der Grundsteinlegung, eröffnet und brannte in der Nacht zum 1. Januar 1923 bis auf den Sockel nieder. Bereits wenig später veröffentlichte Steiner Pläne für einen Neubau und schuf ein Modell, an dem sich die Architekten orientierten. Als Baumaterial wählte man diesmal Beton. Am 30. März 1925, kurz nach Beginn der Bauarbeiten, verstarb Steiner. Am 29. September 1928 konnte der Neubau eröffnet werden, der von Steiners Idee eines Gesamtkunstwerks bestimmt ist und gleichzeitig als eine Pionierleistung des Betonbaus gilt. Wolfgang Pehnt, ein Architekturhistoriker, bezeichnet das Bauwerk als »eine der einzigartigsten architekturplastischen Erfindungen, die das 20. Jahrhundert aufzuweisen hat«.

Das zweite Goetheanum erinnert dadurch, daß der Bau komplett aus Sichtbeton besteht, an einen monumentalen Hochbunker, wie er im Zweiten Weltkrieg u. a. in Berlin als Flakbunker gebaut wurde. Andere Assoziationen sprechen auch von einer Garage oder einer Schildkröte, wobei das Dach den Panzer bildet. Insgesamt macht das Gebäude einen monumentalen, auch tempelartigen Eindruck, was durch die eigenartige Formgebung noch verstärkt wird. Durch die Vermeidung des rechten Winkels entstand eine organische Form, die in einem merkwürdigen Kontrast zum Material und der damit verbundenen Modernität steht. Die Lage auf dem Hügel trägt ein übriges zu dem überwältigenden Eindruck bei. Im Innern setzt sich die spezielle Formgebung fort, die schließlich im Zentrum mündet – einem tausend Sitzplätze großen Saal mit Bühne und Orgel.

In der Umgebung des Goetheanums wurden zahlreiche weitere Häuser (insgesamt mehr als 180) errichtet, die teilweise auf Steiner selbst zurückgehen und dem ganzen Anwesen den Charakter eines Ensembles geben. Am bekanntesten dürfte das bereits 1915 errichtete Heizhaus sein. Genutzt wird das Goetheanum als Kultur-, Tagungs- und Theaterbau, (u. a. ist dort die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft ansässig), Eigentümerin ist die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft. Jährlich kommen mehr als 150 000 Besucher nach Dornach, die in einen Ort strömen, der lediglich 6 000 Einwohner hat.

Literatur

  • Wolfgang Pehnt: Rudolf Steiner – Goetheanum, Dornach, Berlin 1991.
  • Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk, Petersberg 1999.
  • Rudolf Steiner: Wege zu einem neuen Baustil. Fünf Vorträge, gehalten während der Arbeit am Goetheanum 1914, Dornach 1926.
  • Helmut Zander: Rudolf Steiner. Die Biographie, München 2011.
Der Artikel wurde von Erik Lehnert verfaßt.