Der Staat der Industriegesellschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. März 2017, 17:07 Uhr

Der Staat der Industriegesellschaft. Dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland,
Ernst Forsthoff, München: C. H. Beck 1971.

Das Erscheinen des Buches von Forsthoff erklärt sich aus der neuartigen Verfassungs-, Rechts- und Staatswirklichkeit, die zwischen 1950 und 1970 entstand; eine wesentliche Rolle spielten dabei die Debatten um »Sachzwänge«, in die sich die konsolidierte Bundesrepublik gestellt sah.

dierte Bundesrepublik gestellt sah. Forsthoffs Kernthese lautet, daß die Bundesrepublik durch die Interdependenzen mit der Wirtschaft ein stabiles Gemeinwesen bleibt, obwohl die herkömmliche staatliche Souveränität im Zuge der sozialen und technischen »Realisation« geschwunden ist. Die Frage nach der staatlichen Souveränität, d. h. hoheitlicher Macht und der Durchsetzungschance sittlicher Ansprüche, ist keineswegs überflüssig geworden, auch wenn Staat und Gesellschaft immer mehr zusammenfließen. Die bürgerliche Gesellschaft ist durch die Industriegesellschaft ersetzt, in der die Freiheit des einzelnen von technologischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Zumutungen bedroht ist. Doch ist unser Staat aus historischen Gründen keiner wirklichen »geistigen Selbstdarstellung« mehr fähig.

Der Darstellung dieses ersten, eher grundsätzlichen Aspekts folgen in Forsthoffs Buch dann Kapitel über die rechtlichpolitischen Veränderungen, »welche die innere Souveränität aufheben« oder erheblich modifizieren. So verwandelt sich die Verfassung »aus einem Rechtsinstrument politischer Ordnung in ein Sozialprogramm «, das den Staat zur allgemeinen Daseinssicherung nötigt, Verwaltung und öffentliche Planung professionalisieren sich und verlieren hoheitsrechtliche Funktionen, das Parlament steht unter dem Druck der Gegensätze der gesellschaftlichen Kräfte und der Parteien einerseits, der Sachentscheidungen andererseits; der Wähler folgt nur noch seinen Einzelinteressen, und die Justiz etabliert sich als eigenständige politische Instanz durch wertende Umdeutung der Grundrechte. Hinzu kommen in Zukunft supranationale Institutionen.

»Man muß, was die politische Konsistenz des Staates anbelangt, völlig umlernen … Der harte Kern des heutigen sozialen Ganzen ist nicht mehr der Staat, sondern die Industriegesellschaft, und dieser harte Kern ist durch die Stichworte Vollbeschäftigung und Steigerung des Sozialprodukts bezeichnet.«

Trotz dieser im Effekt entpolitisierenden (sprich: entmächtigenden) Wirkungen zeigt sich der Staat der Bundesrepublik verblüffend stabil. Wechselseitige Kooperationen und Abhängigkeiten zwischen Wirtschaft und Staat zeichnen dafür gleichermaßen verantwortlich wie das Massenbedürfnis nach einem leistungsfähigen Garanten des Lebensstandards.

Forsthoff erzielte mit seinem Buch keine Breitenwirkung. Die (überwiegend linke) Kritik ordnete ihn abwehrend in den »technokratischen Konservativismus« ein, obwohl er bereits die Umweltproblematik unter dem Gesichtspunkt eines gegensteuernden Staates behandelte.

Literatur

  • Willi Blümel u. a. (Hrsg.): Ernst Forsthoff. Kolloquium aus Anlass des 100. Geburtstags, Berlin 2003.
Der Artikel wurde von Rainer Waßner verfaßt.