Der Mensch – das riskierte Wesen

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Der Mensch – das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft,
Irenäus Eibl-Eibesfeldt, München: Piper 1988.

Der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt knüpfte 1988 mit seinem Buch Der Mensch – das riskierte Wesen an die von Konrad Lorenz begründete ethologische Zivilisationskritik an. Von der Erkenntnis ausgehend, daß das Verhalten des Menschen in starkem Maße durch sein stammesgeschichtliches Erbe geprägt ist, geht Eibl-Eibesfeldt der Frage nach, inwieweit der Mensch an die Lebensbedingungen der modernen Zivilisation angepaßt ist. Tatsächlich erweisen sich viele verhaltenssteuernde Programme unter den heutigen Bedingungen als fehlangepaßt.

Die als Kleingruppenwesen evoluierten Menschen sind von einer Massengesellschaft überfordert. Evolutionär sinnvolle Verhaltensprogramme, wie das Dominanz- und Wachstumsstreben, die Bereitschaft zur Indoktrination und die infantilisiernde Wirkung von Ängsten bergen soziale und ökologische Gefahren. Gesellschaftliche Vorgänge wie die positive Rückkopplung beim Dominanzstreben, die Politiker und Wirtschaftsführer immer mehr Macht und Wohlstand anhäufen läßt, und die Eigendynamik von Institutionen verschärfen das Problem. Schon damals warnte Eibl-Eibesfeldt vor der Gefahr eines vom Menschen verursachten Klimawandels. Hinzu kommen auf der Milieutheorie beruhende Ideologien wie der Feminismus, die permissive antiautoritäre Erziehung und die multikulturelle Gesellschaft, welche die Kluft zwischen unseren biologischen Bedürfnissen und den gesellschaftlichen Bedingungen noch zusätzlich vergrößern.

»Naive Philanthropie hat manches Volk ins Unglück gestürzt. Man kann zweifellos zuviel des Guten tun. Das geschieht vor allem, wenn Tugend ideologisiert und damit zum Programm erhoben wird.«

Eibl-Eibesfeldt betont, daß der Mensch durchaus in der Lage ist, sich von seinen biologischen Antrieben zu distanzieren. Die Zügelung aggressiver und sexueller Neigungen ist geradezu eine kulturelle Universalie. Eine kompensatorische kulturelle Neuanpassung setzt jedoch das Wissen um die evolutiven Voranpassungen des Menschen voraus. Nicht die Tabuisierung und Leugnung der menschlichen Natur, sondern realistische Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur wirklichen Mündigkeit des Menschen. So gilt es zum Beispiel, die natürliche Anlage zur Gruppenbindung und Fremdenfurcht nicht durch forcierte Einwanderung zu überfordern. Der Wunsch, als ethnische Gruppe zu überleben, ist legitim und muß respektiert werden. Eibl-Eibesfeldt plädiert für eine Erziehung des Respekts vor dem Leben und für einen »Friedensschluß mit der Natur«.

Irenäus Eibl-Eibesfeldts Renommee als Verhaltensforscher sichert ihm die Publikationsmöglichkeiten in anerkannten Medien und Verlagen. Spätestens seit seiner Kritik an der Masseneinwanderung ist er aber für die meinungsführende Linke zum zu bekämpfenden Gegner geworden. Beispielsweise warf man ihm in der Zeit und im Spiegel vor, rassistische und fremdenfeindliche Positionen zu vertreten. So unter politischen Generalverdacht gestellt, blieb Eibl-Eibesfeldts Mahnung vor der »multikulturellen Gesellschaft« weitgehend ungehört, und es gelang ihm in den letzten beiden Jahrzehnten nicht mehr, Einfluß auf die öffentliche Diskussion zu nehmen.

Ausgabe

  • Taschenbuch, München: Piper 2000.
Der Artikel wurde von Andreas Vonderach verfaßt.