Der Fürst

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Der Fürst (ital. Il Principe, dedicato a Lorenzo duca d’Urbino, Rom 1532; dt. zuerst Lebensund Regierungs-Maximen eines Fürsten, Cölln 1714).
Niccolò Machiavelli, Arnstadt 1805.

Machiavellis berühmtestes Buch steht der Form nach noch in der Tradition älterer »Fürstenspiegel« (Lehrbücher für künftige Herrscher); sein politischer Inhalt jedoch sowie die Kernpunkte seiner politischen Lehre brechen radikal mit der bisherigen antik-mittelalterlichen Tradition politischen Denkens. Denn Machiavelli argumentiert ohne Berufung auf transzendentale, religiöse oder philosophische Glaubensnormen oder Rechtsgrundsätze, sondern rein zweckorientiert. Sein Thema besteht ausschließlich in der Beantwortung der Frage nach der Erwerbung, Behauptung und Sicherung politischer Macht: Alles, was diesem Zweck dient, ist gerechtfertigt – alles, was ihm zuwiderläuft oder schadet, wird verworfen. Diese Auffassung impliziert zugleich eine klare Trennung von der herkömmlichen Verbindung von moralischem und politischem Handeln und damit von der Auffassung, das Richtige und Nützliche im Bereich des Politischen sei mit dem moralisch Guten identisch.

»Ihr müßt euch nämlich darüber im klaren sein, daß es zweierlei Arten der Auseinandersetzungen gibt: die mit Hilfe des Rechts und die mit Gewalt. Die erstere entspricht dem Menschen, die letztere den Tieren. Da die erste oft nicht zum Ziele führt, ist es nötig, zur zweiten zu greifen.«

Die zentralen Begriffe von Machiavellis Analyse »richtigen«, d.h. auf Machterringung und Machterhalt zielenden politischen Handelns sind erstens fortuna (Glück), ohne die kein großer politischer Erfolg möglich ist, zweitens virtù (Fähigkeit zu kraftvollem politischem Handeln, Durchsetzungsfähigkeit), die Kardinaltugend jedes erfolgreichen Politikers, drittens occasione (Gelegenheit), die vom machtpolitisch handelnden Fürsten erkannt und genutzt werden muß, und viertens necessitá (Zwang zum Handeln in gefährlichen Situationen, im Ausnahmezustand). Machiavellis Schrift stellt – entgegen den Behauptungen zeitgenössischer und späterer Kritiker – ausdrücklich keine Aufforderung zum prinzipiell amoralischen oder gar grausamen Handeln dar: Ein kluger Fürst soll, wie er ausdrücklich betont, »am Guten festhalten, soweit es möglich ist, aber im Notfall vor dem Schlechten nicht zurückschrecken«; in jedem Fall aber muß er stets taktisch agieren und oftmals seine eigentlichen Absichten und Ziele verbergen.

Machiavellis Lehre beruht wesentlich auf einer realistischen Auffassung von der menschlichen Natur, denn »von den Menschen läßt sich im allgemeinen so viel sagen, daß sie undankbar, wankelmütig und heuchlerisch sind, voll Angst vor Gefahr, voll Gier nach Gewinn«. Eine weitere zentrale und prägende Voraussetzung seiner Lehre liegt in der eigenen Erfahrung als Politiker, der vierzehn Jahre in den Diensten der Republik Florenz gestanden hat, sowie in seiner genauen Kenntnis der antiken und der neueren Geschichte. Machiavellis Grundgedanke, daß die Selbsterhaltung des eigenen Gemeinwesens zentrale Norm politischen Handelns sein muß und in bestimmten Situationen auch ein (nach herkömmlicher Auffassung) amoralisches Handeln erfordert, beruht nicht zuletzt auf zeitgenössischen Erfahrungen; keineswegs zufällig endet seine Schrift mit einem leidenschaftlich formulierten »Aufruf, Italien von den Barbaren zu befreien«.

Ausgabe

  • Gesammelte Schriften, Bd. 2, München: Georg Müller 1925, S. 1–109; Taschenbuchausgabe, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel 2008.

Literatur

  • Hans Freyer: Machiavelli, Leipzig 1938.
  • Kurt Kluxen: Politik und menschliche Existenz bei Machiavelli. Dargestellt am Begriff der Necessità, Stuttgart 1967.
Der Artikel wurde von Hans-Christof Kraus verfaßt.