Betrachtungen über die Französische Revolution

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Betrachtungen über die Französische Revolution (engl. Reflections on the Revolution in France, and on the Proceedings in Certain Societies in London relative to that Event, London 1790).
Edmund Burke, 2 Bde., Berlin: Friedrich Vieweg 1793.

Ähnlich wie Machiavelli vor ihm und andere politische Autoren nach ihm, konnte Edmund Burke von seinen eigenen Erfahrungen als Politiker (langjähriger Abgeordneter des Unterhauses, kurzzeitiges Regierungsmitglied als Unterstaatssekretär) zehren, als er in seiner bekanntesten Schrift eine Fundamentalkritik der Prinzipien der 1789 ausgebrochenen Revolution in Frankreich unternahm. Seine Schrift erschien in der literarischen Form eines – sich unversehens zu einer langen Abhandlung ausweitenden – »Briefes« an einen »Gentleman in Paris«, also nicht als streng systematisch aufgebaute theoretische Deduktion, sondern eher als sprunghaft und leidenschaftlich argumentierender, konsequent Partei ergreifender Beitrag zur politischen Zeitgeschichte. Obwohl nicht den (konservativen) Torys, sondern den (liberalen) Whigs zugehörig, verfaßte Burke mit seinen Betrachtungen eine der Grundschriften des neueren Konservatismus, die trotz aller zeithistorischen Bezüge ein einheitliches gedankliches Fundament aufweist.

Vier zentrale Aspekte bestimmen seine Argumentation: Erstens die Idee, daß historisch entstandene, im Lauf der Zeit gewachsene Institutionen, wie etwa die politischen Verfassungen, organische Gebilde darstellen, die aus eigenem Recht existieren und von den Menschen nur im Zwang äußerster Notlagen abgeändert, nicht jedoch als solche abgeschafft oder vernichtet werden dürfen; schon gar nicht zulässig erscheint ihm eine »mechanische« Neukonstruktion bloß aufgrund der Prinzipen der – erfahrungsgemäß nicht selten fehlbaren – menschlichen Vernunft. Hiermit hängt zweitens die Überzeugung zusammen, daß sich in jahrhundertelang entstandenen und historisch bewährten Institutionen und Traditionen die gesammelte Erfahrungsweisheit früherer menschlicher Generationen verkörpert, die respektiert werden muß. Drittens sind nach Burke die Menschen angehalten, die geschichtliche Kontinuität ihres Gemeinwesens zu bewahren; Revolutionen gegen bestehende Ordnungen sind als solche zwar nicht prinzipiell unzulässig, jedoch nur in ganz bestimmten Fällen berechtigt – nämlich dann, wenn mit ihrer Hilfe gravierende Fehlentwicklungen korrigiert werden müssen (Beispiel ist für ihn die »Glorious Revolution« von 1688/89, durch welche die von den Stuart-Königen verletzte, freiheitliche und rechtmäßige »alte Regierungsform« Englands wiederhergestellt wurde). Und viertens wandelt Burke die zeitgenössische, für das 18. Jahrhundert charakteristische Vertragstheorie dahingehend ab, daß er sie als Grundlage und Garant historischer Kontinuität interpretiert: Da die Zwecke eines staatlichen Zusammenschlusses der Menschen »nicht in einer Generation zu erreichen sind, so wird daraus eine Gemeinschaft zwischen denen, welche leben, denen, welche gelebt haben, und denen, welche noch leben sollen«. Historische Wandlungen vollziehen sich mit Notwendigkeit, aber der Mensch sollte nur dann selbst eingreifen, wenn es unumgänglich erscheint: »Ich erkläre mich«, sagt Burke, »nicht gegen alle Veränderungen! Aber ich wünschte zu erhalten, selbst da noch, wo ich zu ändern genötigt wäre … Ich möchte die Ausbesserungen so genau, als es nur möglich wäre, im Stil des alten Gebäudes vornehmen.«

»Ein Staat, dem es an allen Mitteln zu einer Veränderung fehlt, entbehrt die Mittel zu seiner Erhaltung.«

Mit seiner Ablehnung der Französischen Revolution vertrat Burke im damaligen England die Haltung einer Minderheit und löste eine umfangreiche Debatte mit zahlreichen Gegenschriften aus. Der Einfluß von Burkes Betrachtungen auf den Konservativismus kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Ausgabe

  • Übersetzung v. Friedrich von Gentz, hrsg. v. Ulrich Frank-Planitz, Zürich: Manesse 1987.

Literatur

  • Karl Graf Ballestrem: Burke (1729–1797), in: Hans Maier/Heinz Rausch/Horst Denzer (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens, Bd. 2, München 1987.
  • Walter von Wyss: Edmund Burke – Denker, Redner und Warner, München 1966.
Der Artikel wurde von Hans-Christof Kraus verfaßt.