Abendland: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (1 Version importiert)
 
Zeile 19: Zeile 19:
 
* Karl Anton Prinz Rohan: ''Österreichisch – Deutsch – Europäisch'', Bodman 1973.
 
* Karl Anton Prinz Rohan: ''Österreichisch – Deutsch – Europäisch'', Bodman 1973.
 
* Georg Smolka: ''Abendländische Einheit – Europäische Wirklichkeit'', Sigmaringen 1989.
 
* Georg Smolka: ''Abendländische Einheit – Europäische Wirklichkeit'', Sigmaringen 1989.
 +
  
 
[[Kategorie:Begriff]]
 
[[Kategorie:Begriff]]

Aktuelle Version vom 21. September 2016, 19:27 Uhr

Abendland ist die traditionelle Bezeichnung für den westlichen und mittleren Teil Europas, der nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert geprägt wurde von der Landnahme und Staatenbildung der germanischen Völker sowie der Durchsetzung des lateinischen Christentums. Während die Antike geographisch auf den Mittelmeerraum konzentriert war und auch Nordafrika und Kleinasien zu ihrem Einflußgebiet zählten, verschob sich nun die Achse nach Norden, wurden die Träger – Griechen und Römer – durch andere abgelöst und entwickelte sich ein bis dahin unbekanntes Gemeinschaftsgefühl.

»Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Euro­pa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs.«

Novalis

Das speiste vor allem die Feindschaft des Islams, der seit dem 7. Jahrhundert über die mediterrane Gegenküste und die Besetzung der Iberischen Halbinsel das Abendland bedrohte. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich weiter die Wichtigkeit der Kreuzzüge für die Festigung der abendländischen Identität. Deren innere Ausgestaltung war vor allem bestimmt von einer durch das Christentum vermittelten Hochschätzung der menschlichen Individualität und Ethisierung der Lebensführung. Im Hochmittelalter kamen die entsprechenden Ideale im Bild des Ritters als miles christianus und der Dame deutlich zum Ausdruck.

Verglichen mit der Abgrenzung zum Islam war die zum europäischen Osten weniger scharf. Allerdings verlief eine erkennbare Kulturgrenze zwischen den von Rom und den von Byzanz aus christianisierten Völkern: hier lateinische Schrift und Sprache, katholisches Christentum, Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht, dort griechische beziehungsweise kyrillische Schrift, griechische Sprache beziehungsweise Kirchenslawisch, orthodoxes Christentum, Cäsaropapismus. Die Konfrontation ver­lor nach dem Untergang des By­zantinischen Reiches im Kampf mit den Türken an Bedeutung. Dafür entstand umgehend ein neuartiges Problem im Inneren des Abendlandes als Folge der Reformation, die während des 16. Jahrhunderts eine Glaubensspaltung heraufbeschwor und eine Folge von Konfessionskriegen auslöste, in denen die religiöse Einheit vollständig zerbrach.

Obwohl in der Konsequenz Diesseitigkeit der Lebensführung und weltliche Begründung des Staatsinteresses allgemein akzeptiert wurden, erhielt sich die Idee ­eines christlichen Abendlandes schwächer werdend bis ins 20. Jahrhundert. Noch der Imperialismus wurde verbreitet als abendländische Herrschaft über die nichtabendländische Welt verstanden. Derartige Auffassungen erhielten aber mit dem Ersten Weltkrieg, der vor allem ein Krieg innerhalb des Abendlandes war, ihren Todesstoß. Bezeichnenderweise ist der Begriff »Abendland« überhaupt erst im Zusammenhang mit Spenglers Rede vom »Untergang des Abendlandes« (Dekadenz) stärker gebräuchlich geworden. Dabei war nicht zu übersehen, daß dessen Vorstellung vom »Faustischen« als dem »Ursymbol« der abendländischen Seele zu einer dramatischen Verschiebung gegenüber dem gewöhnlichen Verständnis abendländischer Identität führte.

»Letztes Ziel abendländischen Denkens war immer, durch vernünftige Zusammenarbeit »Kirche« und »Reich« zu bilden.«

Hermann Platz

Spätere Versuche, besonders von katholischer Seite, einen »Abendland-Gedanken« ins Spiel zu bringen – zur Verhinderung eines weiteren »Bruderkrieges«, zur Abwehr des kommunistischen Ostens, zur Erneuerung der Reichsidee – scheiterten an der faktischen Machtlosigkeit seiner Träger. Nicht einmal eine entsprechende ideologische Unterfütterung der Europa-Idee gelang. Deren antik-heidnische, humanitäre, aufklärerische, geopolitische, pragmatische oder technokratische Konzeption war mit Überlieferungen nicht auszugleichen, die sich an die Vorstellung vom Abendland knüpften.

Literatur

  • Christopher Dawson: Die Gestaltung des Abendlandes [1932/1935], zuletzt Frankfurt a.M. 1961.
  • Novalis: Die Christenheit oder Europa [1799], Werke, Bd. 2, Köln 1996.
  • Hermann Platz: Deutschland, Frankreich und die Idee des Abendlandes, Köln 1924.
  • Karl Anton Prinz Rohan: Österreichisch – Deutsch – Europäisch, Bodman 1973.
  • Georg Smolka: Abendländische Einheit – Europäische Wirklichkeit, Sigmaringen 1989.