Die Herrschaft der Minderwertigen

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Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung,
Edgar Julius Jung, Berlin: Deutsche Rundschau 1927.

Neben Arthur Moeller van den Brucks Das dritte Reich (1923) und Othmar Spanns Der wahre Staat (1921) ist Die Herrschaft der Minderwertigen eines der wirkmächtigsten Bücher der Konservativen Revolution. Insbesondere die wesentlich umfangreichere zweite Auflage hat den Charakter einer »konservativen Enzyklopädie« (Karlheinz Weißmann). Nach einer Einführung in die philosophischen Grundlagen seiner Weltanschauung behandelt Jung alle relevanten Hauptfelder der praktischen Politik (Wirtschaft, Außenpolitik, Kultur, Staatswesen usw.). Diese gewaltige Aufgabe war von einer einzelnen Person nicht zu bewerkstelligen, weshalb Jung komplette Kapitel von Helfern schreiben ließ.

»Es gibt keine Hebung der Massen zu echter Kultur ohne das zwingende Vorbild wahrer Führer. Zu allen Zeiten war es Aufgabe der Hochwertigen, die Stumpfen mitzureißen; ja, es muß gesagt werden: auch unter Anwendung von Gewalt. Die Menschheit bedarf der Zucht, das ist ein ewiges Gesetz gesellschaftlichen Lebens.«

In Abkehr vom Egalitarismus der westlichen Demokratien plädiert Jung für ein organisch-ständisches Gemeinschaftsleben, das durch Autorität und Hierarchie bestimmt sein sollte. In Anlehnung an Oswald Spenglers zyklische Geschichtsauffassung war Jung davon überzeugt, daß Individualismus zu geistloser Zivilisation führt und nur ein organisches Gemeinschaftsleben wahre Kultur ermöglicht. Seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen machten dabei vor den Landesgrenzen Deutschlands nicht halt. Er überträgt den Gedanken einer unterschiedlichen Wertigkeit der Individuen auf die Ebene der Völker und macht bei ihnen eine auf geistig-kulturellen Unterschieden basierende Hierarchie aus. Für Jung steht es dabei außer Frage, daß nur dem deutschen Volk die Führungsrolle in Europa zukommen kann. Jungs konkrete Pläne zur Neugestaltung von Staat und Gesellschaft wurden besonders durch die universalistische Lehre Spanns beeinflußt. Nach seiner Vorstellung sollten daher möglichst viele Aufgaben, für die bislang der Staat zuständig war, an Selbstverwaltungskörperschaften übertragen werden. Die aufklärerische Moderne sollte durch ein »neues Mittelalter«, wie es von Leopold Ziegler und Nikolai Berdjajew propagiert wurde, abgelöst werden.

Der an die Philosophie Friedrich Nietzsches angelehnte Titel des Buches läßt schon erahnen, daß es Jung auch um eine Parlamentarismus- und Demokratiekritik geht. Beeinflußt durch Vilfredo Paretos Modell von der »Zirkulation« der Eliten und Carl Schmitts Analyse des parlamentarischen Systems, kommt er zu dem Ergebnis, daß der Liberalismus in der Weimarer Republik nicht in der Lage sei, ein funktionierendes Gemeinwesen hervorzubringen. Der politischen Klasse wirft er dabei vor, jegliche Auslesefähigkeit verloren und dabei ein »minderwertiges« Herrschaftssystem installiert zu haben. Das »mechanistische« demokratische Wahlsystem beurteilt er in bezug auf die Genese einer »wahren« Elite als Haupthindernis: »Die lächerliche Hineinrederei in die Führung muß aber aufhören. Ein Volk hat auf staatlichem Gebiet nur ein Recht: gut regiert zu werden.«

In unausgesprochener Bezugnahme auf Georges Sorels »Konzept des sozialen Mythos« versuchte Jung, seiner Weltanschauung eine metaphysische Verankerung zu verleihen. Während er in der ersten Auflage noch den Mythos des Frontkämpfers und eine kriegerisch-nationalistische Weltanschauung präferiert, wendet sich der Autor in der zweiten Auflage vom Nationalismus ab und der Reichsidee zu, die er mit mystisch-religiösen Elementen verknüpft.

Die Veröffentlichung der Herrschaft der Minderwertigen machte Jung praktisch über Nacht berühmt. Das monumentale Werk, das gezielt an herausragende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft verteilt wurde, stieß nicht nur innerhalb der jung-konservativen Zirkel, sondern auch innerhalb breiter Bevölkerungsschichten auf zahlreiche begeisterte Leser. Die Weltanschauung des Buches fand während der Zeit der Präsidialkabinette Einlaß in die »große Politik«. Allerdings verhinderte die Machtübernahme der Nationalsozialisten, daß Jungs ständisch-autoritäre Alternative verwirklicht werden konnte. Jung wurde 1934 im Zuge der Nierderschlagung des sogenannten Röhm-Putsches ermordet.

Ausgabe

  • 2., erweiterte Auflage, Berlin: Deutsche Rundschau 1930 (Nachdruck, Struckum: Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur 1991).

Literatur

  • Edmund Forschbach: Edgar J. Jung. Ein konservativer Revolutionär, Pfullingen 1984.
  • Sebastian Maaß: Die andere deutsche Revolution. Edgar Julius Jung und die metaphysischen Grundlagen der Konservativen Revolution, Kiel 2009.
Der Artikel wurde von Sebastian Maaß verfaßt.