Der faschistische Stil

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Der faschistische Stil.
Armin Mohler, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.): Konservatismus international, Stuttgart: Seewald 1973, S. 172–198.

Den »Versuch, sich aller theoretischen und moralisierenden Voreingenommenheit zu entledigen und geschichtliche Phänomene als Phänomene wieder ernst zu nehmen, d. h. sie zu sehen«, hat Armin Mohler einige Male unternommen. Geglückt war ihm 1950 bereits sein erster Vorstoß, als er mit seinem Standardwerk Die Konservative Revolution in Deutschland ein Phänomen zu beschreiben und einen Begriff zu setzen vermochte. Keinen Erfolg hatte er mit seinem 1974 für die Zeitschrift Criticón verfaßten »Glaubensbekenntnis« Die nominalistische Wende – der Begriff setzte sich nicht durch, die Unterscheidung zwischen (rechtem) Nominalismus hier und (linkem) Universalismus dort erschien selbst vielen Mohler- Schülern nicht plausibel.

Eine Mittelposition nimmt der ein Jahr zuvor erschienene Essay Der faschistische Stil ein. Auch hierin ging es Mohler um eine Begriffsklärung (im Sinne einer Säuberung) und um die Rettung eines zur Totschlagvokabel verkommenen Phänomens. Sein Vorhaben gelang innerhalb einer rechten Lesergemeinde durchschlagend – sein Text gilt zu Recht als Hebammendienst zur »zweiten Geburt« (wiederum Mohler), einer geistigen Neuausrichtung aufgrund lebensverändernder Lektüre. Aber auch außerhalb eines intuitiv überzeugten Milieus kam und kommt die Wissenschaft nicht recht an Mohlers »physiognomischem Zugriff« auf den Faschismus vorbei.

In seinem Essay erläutert Mohler, was er mit diesem Zugriff meint, indem er zunächst der Beschränkung des Begriffs auf den italienischen Faschismus oder auf eine Epoche (Ernst Nolte) eine Absage erteilt und behauptet, daß »Faschisten sich offensichtlich leicht mit Unstimmigkeiten der Theorie abfinden, weil ihre Verständigung sich in kürzerem Bogen, eben über den Stil, vollzieht«. Was unter diesem Stil zu verstehen sei, zeigt Mohler anhand einer Rede, die Gottfried Benn anläßlich des Besuchs des Futuristen Tommaso Marinetti in Berlin 1934 hielt. »Ein Faschist heißt einen Faschisten willkommen«, schreibt Mohler und seziert aus Benns Worten den physiognomischen Anteil: »kalter Stil, rapid, funkelnd, großartig« sei das, was Benn an Marinetti begrüßt habe. Es wäre, so Benn, Deutschlands und Italiens Aufgabe, »an dem untheatralischen, an dem großartigen kalten Stil mitzuarbeiten, in den Europa hineinwächst«.

Auch Ernst Jünger wird als Zeuge aufgerufen, sein Abenteuerliches Herz in der ersten Fassung ausführlich zitiert. »Was hier als Faschismus zu beschreiben versucht wird, ist schon ein besonderer Versuch, sich aus dem Debakel der Allgemeinheiten und der Systeme auf die Existenz zurückzubeziehen «, faßt Mohler zusammen und gibt das entscheidende Stichwort: An die Stelle der inhaltlichen Weltdeutung (deren Zertrümmerung durch den Ersten Weltkrieg, die Massengesellschaft, den philosophischen Nihilismus offenkundig geworden war) hatte die Form zu treten (die nicht von Dauer ist, aber auf jeden Fall ein überzeugend durchgebildetes Stück Wirklichkeit). Faschismus ist in diesem Sinne eine Verhaltenslehre und als Stil ein formgebender, politischer Existentialismus. Es geht um die Verdichtung einer Überzeugung in einer symbolischen Geste, einem oft gewalttätigen Akt, einer konsequenten, untheatralischen Inszenierung.

Daß dies mit dem nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Rassismus nichts zu tun habe, ist für Mohler evident. Er betont dies an einigen Stellen seines Essays und konzentriert sich darauf, Fundstücke zu präsentieren, die seine Umschreibung eines faschistischen Stils anschaulich, plastisch machen. Erwähnt sei das berühmte Telefongespräch aus dem Spanischen Bürgerkrieg zwischen dem falangistischen Kommandeur des von Roten belagerten Alcázar von Toledo und dessen gefangenem Sohn, bei dem für beide selbstverständlich ist, daß der Vater die Festung halten und der Sohn sich unpathetisch als Geisel opfern würde. Mohler präzisiert seine physiognomische Begriffsbestimmung zuletzt noch dadurch, daß er den Faschisten vom Nationalsozialisten und vom Etatisten unterscheidet und gleichzeitig deren Verwandtschaft und Durchkreuzung andeutet.

Was Mohlers Essay zu einem Schlüsseltext, einer Pflichtlektüre macht, ist zum einen die Sicherheit des gedanklichen Vorstoßes: Mohler hat einen ganzen Bücherstapel zu seinem Thema durchgearbeitet, aber er stockte ihn nicht um ein weiteres, ausbalanciertes Buch auf, sondern ersetzte ihn durch einen völlig neuen Entwurf. Diese Unbekümmertheit befreite das Phänomen »Faschismus« von dem Wust an Fußnoten und systematischen Zwängen, in dem es gefangen war. Daß dies in hohem Maße mutig und nonkonform war, macht Mohler bis heute zu einem inspirierenden Lehrer, und man kann mit Günter Maschke von einer Bewaffnung der Sprache sprechen: Begriffe werden verwendbar, das Wort ist nicht mehr nur die Waffe der anderen.

»Es ist ein Stil, der aus der Spannung von futuristischer Jugend und schwarzem Tod lebt. Ein Stil, der notwendig den antibürgerlichen Affekt in sich schließt – der Energie und Instinkt betont.«

Anzuführen ist des weiteren Mohlers konsequente Hochschätzung der Form: Wenn er den faschistischen Stil gerade damit markierte, so war und ist das auch deshalb überzeugend, weil sein Essay selbst in diesem Stil verfaßt ist. Daß er sich mit seinem Text letztlich seiner eigenen Position vergewisserte, hat mancher Beobachter der Szenerie vermutet, die profaschistische Bemächtigung des Themas durch Mohler ist tatsächlich unverkennbar. Bestätigt hat Mohler diese Vermutung in einem Interview, in dem er 1995 bekannte, daß er in diesem Sinne ein Faschist sei.

Ausgabe

  • Erweiterte Fassung, in: Armin Mohler: Das Gespräch. Über Linke, Rechte und Langweiler, Dresden: Edition Antaios 2001, S. 119–178.

Literatur

  • Götz Kubitschek: Gottfried Benn – Versuch über einen Faschisten, in: Sezession (2006), Heft 14.
  • Karlheinz Weißmann: Armin Mohler. Eine politische Biographie, Schnellroda 2011.
Der Artikel wurde von Götz Kubitschek verfaßt.