Politik: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 21. September 2016, 19:18 Uhr
Politik ist ein Begriff, der ursprünglich das bezeichnet, was zur polis, also dem antiken (Stadt-)Staat, gehört. Politik bedeutet insofern zuerst und vor allem »Staatskunst«. Dabei hat Aristoteles, der als einer der ersten diesen Zusammenhang bedachte, gemeint, daß die Politik dem Menschen »natürlich« sei, insofern er eben nicht als Einzelgänger leben könne, sondern als zoon politikon, – ein »politisches«, das heißt auf soziale Bindung und Gemeinschaft hin angelegtes, »Tier« leben müsse. In diesem Sinn hat Politik zum Menschen gehört, seitdem er existiert, es muß auch schon so etwas wie Hordenpolitik gegeben haben, die sich kaum von den Regeln der chimpanzee politics (Frans de Waal) unterschied und entstand, lange bevor eine staatliche (Staat) Institution vorhanden war.
»Alle Politik ist Kunst. Sie bewegt sich in der Welt der historischen Taten, verwandelt sich und treibt neue Bildungen hervor während wir reden.«
Von solcher Politik im allgemeinen Sinn, die einfach nur das Vorhandensein von Machtverhältnissen und deren mehr oder weniger stabile Organisation bezeichnet, muß eine Politik unterschieden werden, die erst im Zug jener Politisierung entstand, die sich in einigen antiken poleis, vor allem in Athen, vollzog. Dabei entstand eine Ordnung, die von anderen – vor allem religiösen – Vorgaben weitgehend frei war und gleichzeitig eine – politisierte – Bürgerschaft, die nicht nur an Politik interessiert war, sondern aktiv handelnd in die Politik eingriff.
Obwohl sich dieses Modell von Politik nicht halten konnte, blieb es in der europäischen Geschichte ein Leitbild, das am Beginn der Neuzeit zu der Vorstellung führte, daß man nicht nur die Staatlichkeit angemessen – und jedenfalls besser als im Mittelalter – organisieren müsse, sondern außerdem die Einbeziehung der Bürger in die politischen Angelegenheiten gewährleisten sollte.
Beide Ziele standen in Spannung zueinander. Man könnte vereinfachend von Staatspolitik sprechen, die vor allem darauf zielte, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen und im Inneren gute Politik beziehungsweise gute »Polizei« zu treiben, indem sie einen Friedenszustand sicherte, der nach außen durch Kriegsandrohung aufrechtzuerhalten war, und von Gesellschaftspolitik, die die Partizipation der Bürger zu stärken trachtete, um jene Politisierung zu wiederholen, die schon im Altertum dazu geführt hatte, die politische Ordnung von einer Mehrheit tragen zu lassen.
»Es darf niemand denken, daß die Welt ohne Blut regiert werde. Es soll und muß das weltliche Schwert rot und blutrünstig sein, denn die Welt will und muß böse sein.«
War bis zum 19. Jahrhundert die Staatspolitik in Europa ausschlaggebend, so begann dann unter dem Einfluß des Liberalismus der Aufstieg der Gesellschaftspolitik. Deren Erfolg hat aus der Sicht mancher – etwa Carl Schmitts – nicht nur das Ende des Staates zur Folge gehabt, sondern auch Politik im Sinne von Staatspolitik unmöglich gemacht. Das Ende des Zusammenhangs von Staat und Politik bedeutet allerdings nicht das Ende des »Politischen«, das unaufhebbar zum Wesen des Menschen gehört.
Schmitt hat diesen Sachverhalt dadurch zum Ausdruck gebracht, daß er das Politische über die Notwendigkeit existentieller Entscheidung zwischen »Freund« und »Feind« definierte. Existentiell ist diese Entscheidung insofern, als jede Entgegensetzung einen Intensitätsgrad erreichen kann, der sie politisch werden läßt, ohne daß ein Bezug zum Staat oder dessen Überresten zu bestehen hat. Das läßt sich beispielsweise beim politischen Umschlagen von wirtschaftlichen, religiösen oder rassischen Konflikten erkennen, die ihrem Wesen nach ökonomisch, metaphysisch oder ästhetisch sein mögen, aber eben latent politisch wirken.
Angesichts dieser Situation ist mit dem gelegentlich prognostizierten »Ende der Politik« nicht zu rechnen. Es bleibt allerdings das Problem bestehen, daß die Politik eine ethische Sonderstellung verlangt. Eine bis dahin ungeklärte Frage, die sich weder im Sinne eines Machiavellismus – die Politik kennt keine Moral – noch im Sinne reiner Gesinnungsethik – für die Politik gelten dieselben Moralvorschriften wie für alle anderen Lebensbereiche – oder einer »pluralistischen Ethik« (Arnold Gehlen) – für die Politik muß eine spezifische, also politische Moral entwickelt werden – ganz befriedigend lösen läßt.
Literatur
- Arnold Gehlen: Moral und Hypermoral [1969], zuletzt Frankfurt a.M. 2004.
- Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen [1980], zuletzt Frankfurt a.M. 2008.
- Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen [1932], zuletzt Berlin 2002.
- Heinrich von Treitschke: Politik, 2 Bde [1897/98], zuletzt Leipzig 1922.