Waterloo

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Belgien, 15 km südlich von Brüssel

Der Durchschnittsdeutsche redet von »Woterluu «. So eng verknüpft ist der Name dieses Schlachtfelds mit dem Sieg des britischen Oberkommandierenden Wellington, daß man ihn auch hierzulande englisch ausspricht. Kaum jemand weiß, daß der Entscheidungskampf gegen Napoleon vor den Toren Brüssels stattfand und das Dörfchen gut flämisch Waterloo, etwa »Land am Wasser«, hieß. Vergessen ist in Deutschland auch, daß man den eigenen Anteil am Sieg früher markierte, indem man nicht von der Schlacht bei Waterloo, sondern der bei Belle-Alliance sprach, so benannt nach dem Gasthaus »Belle Alliance «, an dem Wellington und der Führer der preußischen Truppen, Blücher, zusammentrafen.

Erst nach 1945 wurde die britische Auffassung endgültig akzeptiert, als die Deutschen lernten, Kriegsruhm, auch und gerade ihren eigenen, geringzuschätzen. Dabei bestand das Heer des »Iron Duke« nur zu einem guten Drittel aus Briten, fast die Hälfte seiner Truppen waren Deutsche (vor allem Niedersachsen), und sicher wäre Wellington ohne die Preußen geschlagen worden, er hatte seinen Rückzug an die Kanalküste sogar schon vorbereitet. Aber wie auch immer: Waterloo besiegelte das Schicksal Napoleons, es war seine letzte Schlacht, und es bereitete die Neuordnung Europas vor, die fast einhundert Jahre – länger als jede andere – Bestand haben sollte.

Die Zeitgenossen der Schlacht am 18. Juni 1815 wußten, daß die Niederlage Napoleons keine Selbstverständlichkeit war, obwohl er einer mächtigen Koalition aus Großbritannien, Rußland, den Niederlanden, Schweden, Preußen, Österreich und der Mehrzahl der deutschen Staaten gegenüberstand, die ihn schon einmal besiegt hatte. Jetzt war er gerade von seinem Verbannungsort Elba zurückgekehrt und in Frankreich wie ein Messias begrüßt worden, konnte die Macht an sich reißen, in aller Eile neue Truppen ausheben und den Bestand seiner Veteranen mobilisieren. Vor allem den erprobten Gardeeinheiten und der – indes geschwächten – Kavallerie kam erhebliches Gewicht zu. Allerdings standen Napoleon nur noch wenige seiner alten Marschälle zur Verfügung, und er selbst hatte zwar nicht sein kriegerisches Genie, aber viel von seiner Kaltblütigkeit verloren. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum es ihm nicht gelang, die bei Ligny zum Kampf gestellten Preußen vernichtend zu schlagen und dann die eigene Überlegenheit am Vortag der Schlacht bei Waterloo zu nutzen. Immerhin gelang es ihm, die Initiative zu behalten, die Briten mit immer neuen Angriffswellen in Bedrängnis zu bringen, die schließlich mehr als die Hälfte ihrer Männer verloren hatten, so daß Wellington nichts blieb als das verzweifelte »I want night or Blucher«.

Tatsächlich erklärt sich der Sieg der Alliierten letztlich daraus, daß Gneisenau, der Generalstabschef der preußischen Armee, die Entschlußkraft besaß, anstelle des verwundeten Blücher die preußischen Truppen zu sammeln und nach der Niederlage von Ligny in eine weitere Schlacht zu führen. Durch die Preußen entstand ein massives Übergewicht zugunsten der Alliierten, das letztlich den Ausgang des Kampfes bestimmte. Am Abend des 18. Juni, gegen 21 Uhr, trafen Wellington und Blücher bei Belle-Alliance zusammen. Da war längst der Schreckensruf »Die Garde weicht!« durch die französischen Reihen gegangen, die sich zu regelloser Flucht wendeten, verfolgt von ihren siegreichen Feinden. Der Kaiser selbst suchte das Weite, Gneisenau erbeutete seinen Wagen mit Hut und Degen. Auf der Walstatt lagen am Abend die Leichen von mehr als 50 000 Gefallenen und 10 000 Pferden.

Wahrscheinlich ist das Schlachtfeld von Waterloo das aus den napoleonischen Kriegen, das seinen Charakter am wenigsten verändert hat. Selbstverständlich führen heute moderne Straßen über die Ebene, die Bebauung und intensive landwirtschaftliche Nutzung lassen nichts mehr erkennen von der Anstrengung, mit der sich die Truppen in dem tonigen Boden und dem Morast abmühten, der im Juni 1815 durch Regenfälle entstanden war. Wer sich einen Überblick verschaffen will, kann das unschwer, Schlachtfeldtourismus hat in Waterloo eine lange Tradition. Aber wer dem berühmten Löwenhügel und dem Panorama daneben nur eine kurze Visite gönnt, wird daneben noch eindrucksvolle Gedenkstätten entdecken: angefangen bei den Gedenktafeln, die die Wände der Kirche von Waterloo bedecken und brüderlich vereint die Namen Gefallener aller beteiligten Heere aufführen, über die Monumente, die einzelnen Truppenteilen errichtet wurden, bis zum Denkmal des »Aigle Blessé« – des »Verwundeten Adlers« – an der Stelle, an der sich der letzte Rest der Garde Napoleons hielt. Für den deutschen Besucher dürfte aber vor allem das Gehöft von La Haye Sainte wichtig sein, an dessen Außenmauer zwei Tafeln zu sehen sind, die an den »hannöverschen Heldenmuth« erinnern.

Unmittelbar nach der Annexion Hannovers durch Napoleon im Jahr 1803 bzw. 1807 hatte man auf der Insel Freiwilligenverbände wie die »King’s German Legion« – »Des Königs deutsche Legion« – gebildet. Während der Schlacht bei Waterloo spielte das 2. Leichte Bataillon der Legion eine besondere Rolle, weil es die stark umkämpfte La Haye Sainte verbissen gegen eine vielfache Übermacht hielt und erst räumte, als die von ursprünglich 360 Mann verbliebenen 42 keine Munition mehr hatten und sich zurückziehen mußten, nur um kurz darauf mit den Männern des 1. Leichten Bataillons wieder in den Kampf einzugreifen. Selbst britische Militärhistoriker erkennen die außerordentliche militärische Leistung der deutschen Verbände während dieser »Schlacht in der Schlacht« (John Keegan) an.

Aufgrund der engen Verbindung in der Zeit der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover spielte Waterloo als Erinnerungsort vor allem eine Rolle für das welfische Deutschland. Natürlich gibt es nichts, was dem Wellington- und Waterloo- Kult auf der Insel vergleichbar wäre (wo man noch den zivilen Sieg auf dem Feld technischer Entwicklung durch eine Waterloo- Eisenbahnendstation in London krönte). Aber immerhin besitzt Hannover mit der Waterloo-Säule auf dem Waterlooplatz, Osnabrück mit dem Waterloo-Tor die größten Denkmäler überhaupt, die Bezug auf die Schlacht nehmen und die beide auf dem Gebiet des alten Kurfürstentums bzw. Königreichs Hannover liegen. Im übrigen findet man bis heute eine ganze Reihe von Belle-Alliance-Straßen oder -Plätzen; und Berlin hat beides: eine Belle-Alliance-Straße (heute: Mehringdamm) und ein Waterloo- Ufer.

Literatur

  • John Keegan: Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916, zuletzt Frankfurt a. M. 2007.
  • Josef Johannes Schmid (Hrsg.): Waterloo – 18. Juni 1815. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen einer europäischen Schlacht, Bonn 2008.
  • Franz Uhle-Wettler: Höhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte, zuletzt Graz 2006.
  • Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit, zuletzt Frankfurt a. M. 2012.
Der Artikel wurde von Karlheinz Weißmann verfaßt.