Der Mensch und die Technik

Aus Staatspolitisches Handbuch im Netz
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Der Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens,
Oswald Spengler,München:C.H. Beck 1931.

Dieser schmale Band – das ausgearbeitete Manuskript eines Vortrags im Deutschen Museum München – gibt einen Vorgeschmack auf ein viel größeres Werk, das jedoch nie vollendet wurde: die »Geschichte des Menschen von seinem Ursprung an«. Es sollte Spenglers Kulturanthropologie enthalten, die gewissermaßen vor dem Stadium der Hochkulturen ansetzt und somit als Vorgeschichte zum Untergang des Abendlandes zu verstehen gewesen wäre.

»Das Raubtier ist die höchste Form des freibeweglichen Lebens … Es gibt dem Typus Mensch einen hohen Rang, daß er ein Raubtier ist.«

Der Mensch und die Technik stellt einen bedeutenden, vielversprechenden Ansatz dar, die entwicklungsgeschichtlichen Voraussetzungen für das Entstehen von Kulturen zu beleuchten. Durch die knappe Form und den verdichteten Stil erscheinen viele Gedanken jedoch verkürzt ausgeführt oder in provokanten Bildern stecken zu bleiben. Um den weiten Kontext dieses Buches zu erfassen, empfiehlt es sich daher, die beiden Nachlaßwerke Urfragen (1965) und Frühzeit der Weltgeschichte (1966) mit heranzuziehen.

In Der Mensch und die Technik zeichnet sich der frühe Mensch besonders dadurch aus, daß er ein »Raubtier« ist und ein »Krieger«, der sich vor allem um den eigenen Erhalt sorgt und noch keine sozialen Tugenden kennt, am wenigsten Mitleid oder die »Sehnsucht nach Ruhe«: »Die Seele dieser starken Einsamen ist durch und durch kriegerisch, mißtrauisch, eifersüchtig auf die eigene Macht und Beute. Sie kennt das Pathos nicht nur des ›Ich‹, sondern auch des ›Mein‹.« Ein radikaler und schon damals wissenschaftlich unhaltbarer Sozialdarwinismus bestimmt die Interpretation der Urform menschlichen Lebens. Dieses Bild vom Menschen, reduziert auf den egoistischen Jäger, der töten will, ist nicht nur dem Zeitgeist geschuldet, sondern auch Spenglers eigener Persönlichkeit, seinen Enttäuschungen und Krankheiten bzw. seiner kurzzeitigen Gesundung um 1930. Er fühlte sich selbst wie jene »starken Einsamen«, war selbst »durch und durch mißtrauisch« und »eifersüchtig auf die eigene Macht und Beute«.

Es werden die ganz großen Fragen umrissen, wie etwa die, wodurch der Mensch eigentlich erst zum Menschen geworden sei. »Durch die Entstehung der Hand«, antwortet Spengler: Es gibt ein »Denken der Hand«, und ein »Denken des Auges«. In der Kombination beider »Denkformen« sieht Spengler die Überlegenheit des Menschen allen anderen Arten gegenüber begründet.

Unter »Technik« versteht Spengler nun das Mittel aller Lebewesen, Herrschaft zu erlangen und Macht zu sichern. Sie dient schlicht dem Überleben, dem Fortkommen und also der Steigerung des Daseins. Die Tragik sieht Spengler jedoch darin, daß sich der Mensch im Zuge der Technisierung seines Lebens der Natur mehr und mehr entfremdet, indem er sich von ihr lossagt. Deshalb ist der Prozeß des (technischen) Fortschritts, d. h. die Geschichte des Menschen, »die Geschichte einer unaufhaltsam fortschreitenden, verhängnisvollen Entzweiung zwischen Menschenwelt und Weltall, die Geschichte eines Empörers, der dem Schoße seiner Mutter entwachsen die Hand gegen sie erhebt«. Für Spengler ist der Mensch immer noch ein Wesen, das im Gegensatz zur Technik gedacht werden muß, nicht als ihr »Partner«, der langfristig mit ihr fusionieren wird. Im Gegenteil: »Die Schöpfung erhebt sich gegen den Schöpfer … Der Herr der Welt wird zum Sklaven der Maschine.«

Doch noch eine andere Entwicklung sieht Spengler den europäischen Kulturraum bedrohen: Die »farbigen« Völker werden die »weißen« aus ihrer Vorreiterrolle allmählich verdrängen, indem auch sie sich – der von »Weißen« erschaffenen – Technik bedienen, diese kopieren, vielleicht sogar verbessern und also nicht nur »infolge ihrer niedrigen Löhne eine tödliche Konkurrenz darstellen«.

Weil Spengler, der streng zyklisch dachte, in der Technik den bloßen Ausdruck von »Zivilisation« erblickt, diese aber als letzte Phase der Kultur versteht, deren Untergang auch den der Technik bedeutet, kann er kurioserweise darauf hoffen, daß eine aufsteigende, junge Kultur, etwa die »russische«, das Rad von neuem zu drehen beginnt. Das erklärt Spenglers unlogisch anmutende Aussicht gegen Ende des Buches, wonach der »faustische Mensch« die Maschinentechnik – obwohl er sie doch im Gegensatz zum »apollinischen« erst hervorgebracht hat – schließlich überwinden und hinter sich lassen wird: »Diese Maschinentechnik ist mit dem faustischen Menschen zu Ende und wird eines Tages zertrümmert und vergessen sein … Sie wird von innen her verzehrt werden wie alle großen Formen irgendeiner Kultur.«

Die Schrift schließt mit dem überpointierten, häufig zitierten Wort, wonach Optimismus Feigheit sei. »Wir sind in diese Zeit hineingeboren und müssen den Weg zu Ende gehen, der uns bestimmt ist … Auf dem verlorenen Posten auszuharren, ohne Hoffnung, ohne Rettung, ist Pflicht« – das einzig ehrliche Ende, das man dem Menschen nicht nehmen kann.

Entsprechend zurückhaltend war die Resonanz. Besonders diese letzten, stark überdehnten Gleichnisse mußten zu Mißverständnissen führen und haben deshalb den meisten Widerspruch hervorgerufen.

Ausgabe

  • Wien: Karolinger 2006.

Literatur

  • Detlef Felken: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur, München 1988.
  • Frank Lisson: Oswald Spengler. Philosoph des Schicksals, Schnellroda 2005.
Der Artikel wurde von Frank Lisson verfaßt.