Das dritte Reich

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Das Dritte Reich (1923)
Das dritte Reich.
[Arthur] Moeller van den Bruck, Berlin: Ring-Verlag 1923.

In den siebziger Jahren brachte der Deutschlandfunk eine Reihe unter dem Titel »Bücher, die das Jahrhundert bewegten «. Darunter auch eine Folge, die sich mit Moeller van den Brucks Das dritte Reich befaßte. Man zögert etwas, dieser Kategorisierung des Buches zuzustimmen, dessen Wirkung im wesentlichen auf seinem Titel und einem Mißverständnis, genauer: einer Umdeutung, beruhte.

»Wir denken an das Europa von Gestern, und an das, was sich auch aus ihm vielleicht noch einmal in ein Morgen hinüberretten wird. Und wir denken an das Deutschland aller Zeiten, an das Deutschland einer zweitausendjährigen Vergangenheit, und an das Deutschland einer ewigen Gegenwart, das im Geistigen lebt, aber im Wirklichen gesichert sein will und hier nur politisch gesichert werden kann.«

Wie man einer Aussage Max Hildebert Boehms, der zum engsten Umkreis Moellers gehörte, entnehmen kann, hatte dieser ursprünglich die Absicht, sein Buch »Die dritte Partei« zu nennen, denn um eine solche dritte Partei – zwischen Liberalen und Sozialisten, zwischen Reaktion und Fortschritt – ging es eigentlich. Diese Partei war nicht als Wahlorganisation gedacht, ihre Mitglieder sollten nicht für den Reichstag kandidieren, sondern sich als Glieder eines geistigen Lagers verstehen. Das mußte nach Moellers Idee gleichermaßen konservativ und revolutionär sein, durfte also nicht am Alten festhalten, sondern sollte das Lebenskräftige bewahren und das Überlebte beseitigen. Eine konservative Revolution in diesem Sinn würde vollenden, was die »liberale« Revolution von 1918 nicht erreicht hatte und die sozialistische der Zukunft niemals erreichen konnte. Eine Interpretation, mit der sich Moeller deutlich von den üblichen deutschnationalen oder monarchistischen Auffassungen des Umsturzes abhob und die Basis schuf für jene Strömung innerhalb der konservativ-revolutionären Weltanschauung, die man als »jungkonservativ « bezeichnete.

Deren Zentralorgane waren in erster Linie die Zeitschriften Gewissen (wo große Teile des Dritten Reichs schon als Vorabdruck erschienen waren) und Ring, die allerdings doch nicht die intellektuelle Strahlkraft erreichten, die Moeller erwartet hatte. Das hing auch mit seinem eigenen frühen Ausscheiden zusammen – er beging 1925 Selbstmord – und damit, daß sein Freund Heinrich von Gleichen, dem Das dritte Reich gewidmet war, sehr viel konventionellere Vorstellungen vertrat. Das zu wissen ist wesentlich, um auch die Wirkungsgeschichte des Buches und vor allem seines Titels angemessen werten zu können. Denn der relativ kleine Kreis derjenigen, die sich im unmittelbaren Sinn als Schüler Moellers verstanden – neben Boehm vor allem Hans Schwarz, Gustav Hillard-Steinbömer und in einem gewissen Sinn Edgar Julius Jung –, genügte niemals, um dessen Vorstellungen eine größere Verbreitung zu verschaffen.

Dagegen waren die Nationalsozialisten außerordentlich erfolgreich, die sich der Parole des »dritten Reiches« bedienten. Sie gehörten vor allem zum linken Flügel der NSDAP, dessen Protagonisten wie Otto Strasser oder Joseph Goebbels auch mit der von Moeller ins Auge gefaßten Ostorientierung sympathisierten und mit dem Schlagwort »drittes Reich« einerseits die Vorstellung nährten, es werde nach dem Heiligen Römischen und dem Bismarckreich das »Zwischenreich« der Weimarer Republik durch ein drittes, nationalsozialistisches abgelöst, andererseits gewisse schwärmerische und chiliastische Vorstellungen nährten, die in Deutschland seit Romantik und Neuromantik mit der Idee einer großen Synthese verbunden waren.

Diese Inanspruchnahme hatte allerdings deutliche Grenzen, was man daran erkennen kann, daß Hitler sich den Begriff nie zu eigen machte, zu Beginn der dreißiger Jahre die Formel »drittes Reich« in der NSDAP nur noch ohne Bezug auf Moeller benutzt wurde und das Regime sich nach kurzem Zögern entschloß, den »letzten Konservativen« aus der Reihe ihrer geistigen Vorfahren und den Begriff »drittes Reich« aus dem offiziellen Sprachgebrauch zu tilgen, schon um der Annahme zu wehren, es sei vielleicht auch ein »viertes « denkbar.

Ausgabe

  • Nachdruck, Toppenstedt: Berg 2006.

Literatur

  • Sebastian Maaß: Kämpfer um ein Drittes Reich. Arthur Moeller van den Bruck und sein Kreis, Kiel 2010.
Der Artikel wurde von Karlheinz Weißmann verfaßt.